01.09.2022 20:44:38

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Rückenwind gesucht, Kommentar zu Volkswagen von Sebastian Schmid

Frankfurt (ots) - Andere Konzernchefs nehmen sich eine 100-Tage-Schonfrist, ehe

sie erste Ergebnisse zeigen wollen. Volkswagen-Chef Oliver Blume baut die

Konzernführung schon an Tag eins um. Der 54-Jährige verkleinert den Vorstand,

verteilt Kompetenzen neu und schafft eine bereichsübergreifende Führungsebene

unterhalb des Vorstands. Zudem stellte er einen Zehn-Punkte-Plan vor, der VW

schneller voranbringen soll. Blume scheint der Kritik, die Doppelfunktion als

Porsche- und Volkswagen-Chef könne ihn überfordern, gleich den Wind aus den

Segeln nehmen zu wollen.

Die neue Aufstellung, die den Markengruppen mehr Gewicht im Vorstand zukommen

lässt, ist Resultat des von Diess verlorenen Machtkampfs. Blumes Vorgänger

wollte die Autonomie der Marken beschneiden, nun wächst diese wieder. Es ist

daher kein Zufall, dass am Donnerstag auch mitgeteilt wurde, dass Porsche den

IT-Experten Sajjad Khan in den Vorstand berufen wird. Khan war bis vor einem

Jahr als Topmanager bei Mercedes für Software und Vernetzung zuständig. Dem

48-Jährigen war es wesentlich zu verdanken, dass sich das zu Anfang

problembeladene Infotainmentsystem MBUX zu einem der führenden in der Branche

entwickelt hat.

Porsche-Entwicklungschef Michael Steiner, der beim Sportwagenbauer bislang auch

die IT-Entwicklung verantwortet hatte, soll dafür die Entwicklung im

Gesamtkonzern auf der neuen bereichsübergreifenden Führungsebene unter dem

Vorstand verantworten. In der sind künftig auch Beschaffung und Vertrieb

(bislang im Vorstand) angesiedelt. Hinzu kommt die Produktion. Der Vorstand wird

also kleiner, die Konzernführung aber nicht weniger komplex.

Und die Herausforderungen bleiben. In China muss verlorener Boden wieder

gutgemacht werden. In der Elektromobilität wächst die Konkurrenz neben Tesla -

gerade im Reich der Mitte. Die Softwaretochter Cariad, die in die Verantwortung

von Diess fiel, hat nun Blume am Bein. Wie bei der Frage der Markenautonomie hat

der neue VW-Chef auch hier eine andere Idee als sein Vorgänger. Während Diess

möglichst alles selbst entwickeln wollte und damit gegen den Strom schwamm,

zeigt sich Blume offener für Partnerschaften - mit traditionellen Zulieferern,

aber auch Tech-Konzernen wie Apple.

Beim vollautonomen Fahren hatte Volkswagen bereits Anfang des Jahres eingelenkt

und eine Partnerschaft mit Bosch vereinbart. Nun dürften weitere Kooperationen

folgen. Auch wenn viele Analysten von den Erfolgsaussichten von Cariad nicht

überzeugt waren, hielten sie den Kurs dennoch für richtig. Wer die Kontrolle

über die zentrale Software abgibt, gibt riesiges Potenzial auf, so der Tenor.

Das gilt indes nur, wenn der Konzern auch in der Lage ist, dieses Potenzial zu

heben. Die Zweifel daran sind zuletzt eher gewachsen. Auch Blumes kraftvoller

erster Aufschlag ändert daran nichts. Der CEO braucht mehr als einen

Zehn-Punkte-Plan und eine neue Führungsstruktur. Eine Gelegenheit, zu beweisen,

dass er auch in Doppelfunktion liefern kann, winkt ihm allerdings schon. Bei

Cariad sind schnelle Erfolge zwar nicht zu erwarten. Aber vielleicht kann er

bald ein erfolgreiches Porsche-IPO vorweisen. Dieses dürfte den Rückenwind

geben, den man in Wolfsburg so lange vermisst hat.

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