05.10.2021 20:20:38
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Krise mit Ansage, Kommentar zum Erdgasmarkt von Dieter Kuckelkorn
Frankfurt (ots) - Der enorme Anstieg des Erdgaspreises in der EU ist auf eine
ganze Reihe kurz- und langfristiger Faktoren zurückzuführen. Eine der
wichtigsten fundamentalen Ursachen ist der Rückgang der Produktion von Erdgas in
Europa - vor allem in der Nordsee und in Norwegen. Bereits im Jahr 2019 warnte
die Internationale Energieagentur IEA vor einer entstehenden und sich
vergrößernden Versorgungslücke. Die EU ist in steigendem Ausmaß von Importen
abhängig, mit Russland als dem wichtigsten Lieferanten.
In einer solchen durchaus misslichen Situation sollte in Europa eigentlich die
langfristige Sicherung der Energieversorgung im Mittelpunkt aller Erwägungen
stehen. Im Rahmen der Liberalisierung der Energiemärkte hat die Europäische
Kommission jedoch andere Prioritäten verfolgt. Auch als eine Reaktion auf den
russisch-ukrainischen Gasstreit der Jahre 2006/07 kam es der Kommission darauf
an, zur Verhinderung von Marktmacht dominanter Anbieter wie Gazprom die
Vorherrschaft langfristiger Lieferverträge zu brechen - mit der Folge, dass der
europäische Spotmarkt mit seinen kurzfristigen Verträgen an Bedeutung gewann, an
dem sich nach dem Vorbild amerikanischer Rohstoffmärkte auch spekulative
Finanzinvestoren tummeln dürfen. Der damit entstandene Spotmarkt mit seiner
hohen Liquidität hat durchaus über eine längere Zeit für niedrigere Gaspreise
gesorgt. Unberücksichtigt blieb aber die beschriebene Verschlechterung der
fundamentalen Versorgungslage in Europa, die nun für eine strukturelle
Verteuerung des Energieträgers sorgt.
Die Krise verschärft haben kurzfristige Einflussfaktoren wie beispielsweise die
aktuelle Verteuerung fast aller Energieträger. Außerdem haben sich viele
europäische Gasimporteure schlicht verzockt. Sie setzten im Frühjahr und Sommer
darauf, dass der Preis am Spotmarkt wieder sinkt, um dann zu niedrigeren Kosten
die durch den Winter geleerten Lagerbestände kostengünstig aufzufüllen. Zu dem
erhofften Preisrückgang ist es jedoch nicht gekommen. Nun sind die Lager nur
unzureichend gefüllt, zumal auch US-Flüssiggas mit Blick auf die dort höheren
Preise nach Asien umgeleitet wurde. Kurzfristig gibt es für die Krise kaum eine
befriedigende Lösung. Europa muss sich im kommenden Winter möglicherweise auf
Versorgungssperren und sogar Stromausfälle einstellen. Längerfristig wird es die
EU nicht vermeiden können, stabilen Lieferbeziehungen eine höhere Priorität
einzuräumen und fehlgeleitete Liberalisierungen zurückzudrehen.
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