26.03.2021 20:29:38
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Jahr der Rotation, Analyse zum Aktienmarkt von Christopher Kalbhenn
Frankfurt (ots) - Auf den ersten Blick könnte der Eindruck entstehen, dass die
weltweiten Aktienmärkte im Verlauf des zu Ende gehenden ersten Quartals an Fahrt
verloren haben. Gemessen am MSCI All Country World Index haben sie gegen Ende
Februar mit 687 Punkten zwar ein Rekordhoch erreicht, bei einem Stand von
zuletzt 664 Punkten verbleibt für den globalen Index seit Jahresbeginn jedoch
nur noch ein überschaubares Plus von 2,7 Prozent. Das sieht nicht gerade nach
einer besonders rosigen Einschätzung der Aussichten durch die Anleger aus.
Tatsächlich verdeckt der Blick auf den Gesamtindex einen gewaltigen
Umschichtungsprozess, der im Herbst 2020 startete und von der Zuversicht
getragen ist, dass die Pandemie mit Hilfe der hochwirksamen Impfstoffe
überwunden wird und damit der Weg frei wird für eine fulminante Erholung der
Wirtschaft von der schweren Corona-Rezession des Vorjahres. Wie 2020 gibt es
auch 2021 einen geteilten Aktienmarkt - nur mit umgekehrten Vorzeichen. Die
Corona-Verlierer aus dem zurückliegenden Jahr sind zu Gewinnern, genauer: zu
Wiedereröffungsgewinnern mutiert, die Corona-Gewinner des Vorjahres haben das
Nachsehen.
Die Anleger schichten aus defensiven in zyklische und Finanzwerte, aus Growth-
in Value-Aktien um. Nach einem Verlust im Jahr 2020 von 15,4 Prozent liegt der
MSCI World Value im laufenden Jahr mit 8,1 Prozent im Plus und schlägt damit
sein Growth-Pendant, das um 1,8 Prozent nachgegeben hat, um rund 10
Prozentpunkte. Im zurückliegenden Jahr hatte der Growth-Index mit einem
kräftigen Gewinn von fast 33 Prozent das Value-Barometer noch um rund 48
Prozentpunkte geschlagen.
Noch deutlicher schlägt sich die "Reopening"-Zuversicht der Anleger in der
europäischen Branchen-Performance nieder. Nicht von ungefähr ist es eben der
extrem hart von der Pandemie getroffene Reise- und Freizeitsektor, der mit einem
Plus von mehr als 20 Prozent die Nase vorn hat, vor den Branchen Auto (20
Prozent), Banken (rund 19 Prozent) und Grundstoffe (Bergbau und Stahl, rund 13
Prozent).
Nicht auszuschließen ist allerdings, dass der Rotationsprozess in der nächsten
Zeit auch mal ins Stocken geraten könnte. Wenn die von Virusmutanten getriebene
Welle wie von Experten befürchtet zunächst noch zu einer deutlichen
Verschlimmerung der Lage führt, kann dies angesichts des noch vergleichsweise
schleppenden Impftempos in Europa zu Rückschlägen führen. Das wird aber die
Wiedereröffnung und die kräftige Konjunkturerholung nicht aufheben, sondern
lediglich aufschieben.
Die zuletzt veröffentlichten Stimmungsindikatoren untermauern das. Unbeeindruckt
von den gerade für den europäischen Kontinent noch bestehenden Pandemierisiken
hellt sich die Stimmung in der Wirtschaft merklich auf. Der
Markit-Einkaufsmanagerindex für den Euroraum ist im März erstmals seit dem
September 2020 wieder über die Schwelle von 50 Zählern gestiegen, ab der
Wachstum signalisiert wird, und der am Freitag bekannt gegebene
Ifo-Geschäftsklimaindex ist, in einem Umfeld stark zunehmender
Coronainfektionen, im März um 3,9 auf 96,6 Punkte und damit auf den höchsten
Stand seit dem Juni 2019 geklettert. Somit bleibt das für Zykliker
beziehungsweise Value-Aktien positive Umfeld einer sich abzeichnenden kräftigen
Erholung der Konjunktur intakt.
Es spricht jedoch noch mehr für eine anhaltende Rotation. Über viele Jahre, und
eben nicht erst seit der Coronakrise, haben die Anleger angesichts eines sich
kontinuierlich abschwächenden Wachstums der Weltwirtschaft Growth-Aktien stark
bevorzugt und Value-Titel verschmäht. Damit hat sich eine enorme
Performance-Lücke und damit einhergehend auch eine sehr ausgeprägte
Bewertungsdifferenz aufgebaut. Von Ende 2016 bis Ende 2020 hat sich der MSCI
World Growth Index um rund 104 Prozent befestigt, während sich der MSCI World
Value Index mit mageren 13 Prozent begnügen musste, eine Underperformance von
sage und schreibe rund 90 Prozentpunkten.
Ebendiese Kombination aus einer herannahenden sehr starken Erholung der
Wirtschaft und einem enormen Performance-Rückstand veranschaulicht, welches
Potenzial auch nach dem guten Auftaktquartal noch in Zyklikern und Value-Aktien
schlummert. 2021 hat vor diesem Hintergrund gute Chancen, das Jahr der Rotation
und das erste seit langem zu werden, in dem Value-Aktien eine stärkere
Performance erzielen als Growth-Werte.
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