16.12.2021 19:14:39
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Geldpolitische Gräben, Kommentar zu Notenbanken von Mark Schrörs
Frankfurt (ots) - Die US-Notenbank Fed und die Bank of England setzen Zeichen
gegen die hartnäckig hohe Inflation. Die Fed will ihre billionenschweren
Anleihekäufe nun schneller beenden als zuvor avisiert und steuert 2022 auf drei
Zinserhöhungen zu. Die Bank of England hat derweil bereits am Donnerstag ihren
Leitzins überraschend angehoben. Vor allem im Fall der Fed war ein solches
Zeichen überfällig. Die Europäische Zentralbank (EZB) hält dagegen recht
unbeirrt am Mantra eines temporären Inflationsanstiegs und an einer
ultralockeren Geldpolitik fest. Sie wirkt damit zunehmend "behind the curve".
Die Fed hat dem Inflationsgeschehen in den USA viel zu lange tatenlos zugeschaut
und muss nun eine Kehrtwende hinlegen, um nicht die Kontrolle zu verlieren. Es
ist ja nicht nur so, dass die US-Verbraucherpreisinflation auf 6,8 %
hochgeschnellt ist. Viel bedenklicher ist, dass sektorübergreifend
Zweitrundeneffekte sichtbar werden. Zugleich steht die US-Wirtschaft solide da -
trotz der Unsicherheit über die Coronavariante Omikron. Wie stark die Fed
tatsächlich an der Zinsschraube drehen muss, wird sich 2022 zeigen. Zur ganzen
Wahrheit gehört schließlich, dass bei den jetzt von der Fed prognostizierten
Zinserhöhungen und Inflationsraten der reale Zins bis 2023 negativ bliebe.
Dass die Bank of England bereits jetzt ihren Zins erhöht hat, hat viele
überrascht. Das spricht nicht für das Kommunikationsgeschick der britischen
Währungshüter. Angesichts der Ausbreitung von Omikron auf der Insel und
Brexit-Spätfolgen wäre es zudem denkbar gewesen, dass sie noch abwarten. Bei 5,1
% Inflation und rasant steigenden Inflationserwartungen ist der Schritt jetzt
aber sinnvoll. Es geht längst auch um Glaubwürdigkeit der Geldpolitik.
Die EZB dagegen agiert weiter übervorsichtig. Sie hat nun zwar das Ende des
Corona-Notfallanleihekaufprogramms PEPP im März 2022 beschlossen und eine
schrittweise Rückführung aller Käufe in Aussicht gestellt. De facto wird sie
aber 2022 erneut Anleihen für mehrere hundert Milliarden Euro kaufen. Das
Anleihekaufprogramm APP läuft sogar erst einmal unbefristet, und Zinserhöhungen
scheinen für lange Zeit tabu. Nun ist das Inflationsproblem in Euroland sicher
weniger eklatant als in den USA oder Großbritannien. Die Lagen unterscheiden
sich aber auch nicht so fundamental, dass das derartige geldpolitische Gräben
rechtfertigen würde. Die Verhältnismäßigkeit der EZB-Politik mutet immer
fraglicher an. Und was langfristig noch gefährlicher ist: Der geldpolitische
Notstandsmodus mit breiten Anleihekäufen und Null- und Negativzinsen droht so
immer mehr zur Normalität zu werden.
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