30.12.2019 17:00:40

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Ein bisschen Greta / Kommentar zu Klimapolitik und Kapitalismus von

Claus Döring

Frankfurt (ots) - Sind wir nicht alle ein bisschen Greta? Egal ob Politiker,

Notenbanker, Unternehmer oder Investoren? Auch diese Jahresschlussausgabe kommt

nicht an den Themen Klimaschutz und Nachhaltigkeit vorbei. Sie stellt sie sogar

in den Mittelpunkt. Dass sich das Thema Nachhaltigkeit wie ein roter Faden durch

diese Ausgabe zieht, hat freilich weniger mit der Klimaaktivistin Greta Thunberg

zu tun. Denn über die Notwendigkeit nachhaltigen Wirtschaftens wurde bereits

leidenschaftlich debattiert, als die Protagonisten der

Fridays-for-Future-Bewegung noch gar nicht geboren waren. Mancher erinnert sich

vielleicht noch an die 1972 vom Club of Rome vorgestellten Thesen zu den Grenzen

des Wachstums oder an das davon inspirierte Buch des damaligen

CDU-Bundestagsabgeordneten Herbert Gruhl mit dem Titel "Ein Planet wird

geplündert".

Was hat sich geändert seit damals? Der Kampf gegen den Klimawandel und gegen den

Raubbau an unseren natürlichen Lebensgrundlagen ist vom Randthema in die Mitte

der Gesellschaft gerückt. Jedenfalls in Deutschland und in Europa. Andernorts

werden die Fakten - noch - negiert. Doch den unverbindlichen Absichtserklärungen

des ersten Klimagipfels in Rio von 1992 sind inzwischen konkrete Zeitvorgaben

zur Klimaneutralität von Unternehmen, von Staaten, ja sogar von

Staatengemeinschaften wie der EU gefolgt. Nachhaltigkeit ist zum Megatrend

geworden, auch in der Finanzwelt.

Doch Klimaschutz ist nicht das alleinige gesellschaftliche Ziel, dem sich alles

andere unterzuordnen hätte, wie manche Populisten fordern. In der

pluralistischen Gesellschaft gibt es viele verschiedene, in Konflikt zueinander

stehende Ziele. Umso wichtiger sind Verfahren und Regeln, um diese Ziel- und

Interessenkonflikte zu lösen. Als wirkungsvollstes und effizientestes System

dafür hat sich immer noch der Markt erwiesen. Insofern ist es völlig

widersinnig, wenn Klimaaktivisten den Kapitalismus als Verursacher der

Umweltprobleme anprangern und dessen Beseitigung fordern.

Der Kapitalismus ist, richtig verstanden, der Schlüssel zur Lösung des

Klimaproblems. Denn jede gesellschaftliche Veränderung in der Dimension, wie sie

der Klimaschutz und die Dekarbonisierung der Wirtschaft darstellen, wird neben

Gewinnern auch viele Verlierer hervorbringen - unter den Ländern, den

Unternehmen, den einzelnen Bürgern. Eine marktwirtschaftliche Ordnung kann über

Anreize, sprich Preise diese Verluste so gering wie möglich halten und Verlierer

kompensieren, für Transparenz sorgen und Willkür weitgehend vermeiden. So wenig

das Ziel der sozialen Gerechtigkeit eine sozialistische Diktatur rechtfertigt

oder mit ihr zu erreichen wäre, so wenig rechtfertigt Umweltschutz eine

ökologische Diktatur.

Nachhaltiges Wirtschaften verlangt nicht nur nach einer darauf ausgerichteten

marktwirtschaftlichen Ordnung, sondern auch nach Unternehmern, deren Streben

über die reine Gewinnmaximierung hinausgeht. "Die Konzentration auf das

Nur-Ökonomische im überkommenen Sinn führt auf Dauer zu einer geistigen

Verengung... Der moderne Manager kann sich nicht dispensieren von den großen

politischen Auseinandersetzungen, dem Problem des Umweltschutzes, der

Entwicklungsländer, der Frage der Vermögensverteilung, der Dringlichkeit

öffentlicher Infrastrukturen." Das Zitat von Alfred Herrhausen ist aus dem Jahr

1972, also gut 30 Jahre bevor Greta Thunberg auf die Welt kam. An Appellen hat

es nie gefehlt. Endlich folgen Taten. In der Politik, in den Unternehmen.

(Börsen-Zeitung, 31.12..2019)

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