14.10.2021 20:30:38
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Dem Zufall überlassen, Kommentar zu den Geldvermögen in Deutschland
von Jan Schrader
Frankfurt (ots) - Was trägt die meisten Menschen an die Börse? Ein Schauspieler,
der das Prinzip einer Volksaktie umwirbt? Nur bis zum nächsten Kursrutsch!
Fördergelder aus dem Topf der Riester-Rente? Nur bis die Beitragsgarantie im
Tiefzinsumfeld jeden Spielraum für Rendite raubt. Oder eine Geldschwemme infolge
einer Pandemie plus Negativzinsen auf große Geldbeträge, die börsenfaule
Menschen zum Umdenken zwingen? An diesem Punkt stehen wir jetzt. Mag sein, dass
von der wiederholt beschworenen Aktienkultur diesmal mehr hängenbleibt.
Garantiert ist das nicht.
Natürlich sind die 30 Mrd. Euro, die allein im zweiten Quartal laut Bundesbank
in Aktien und Fonds flossen, mehr als nur ein Signal. Das Geld wird einmal
gebraucht werden, wenn der Anteil der Menschen im hohen Alter zugenommen hat und
die öffentlichen Kassen leer sind. Je mehr Menschen Geld langfristig zur Seite
legen und je mehr sie sich dabei auch an renditeorientierte Anlageformen
heranwagen, desto besser. Aber die hohen Zuflüsse und das neue Interesse an
Wertpapieren sind von niemandem geplant worden, sondern ein Produkt des Zufalls.
Die Pandemie kam unerwartet, ein Strafzins auf Bankeinlagen war bis vor wenigen
Jahren undenkbar. Es hätte auch anders kommen können.
Langfristiger Wohlstand geht alle an, denn Steuereinnahmen und sozialstaatliche
Aufgaben hängen davon ab. Eine kapitalgedeckte Altersvorsorge, die auch Aktien
mit einschließt, muss auch politisches Ziel sein. Deutschland ist nach globalen
Maßstäben freilich schon jetzt ein ungeheuer wohlhabendes Land, aber im
Vergleich zu anderen reifen Industrieländern dann doch nicht mehr ganz so reich:
Gut 88000 Euro Geldvermögen besitzt ein deutscher Haushalt im Durchschnitt, in
vielen anderen Ländern sind höhere Beträge üblich. Ob die USA mit ihren
401k-Plänen, Norwegen mit dem Ölfonds, die Niederlande mit einem umfassenden
Pensionssystem oder Schweden mit einem Fondsmodul in der öffentlichen Rente -
anderswo hat die Kapitalanlage einen höheren Stellenwert, womit die Länder auf
den demografischen Wandel besser vorbereitet sind. Diesen Vorsprung holt
Deutschland nicht mehr ein, doch sollte der Abstand im internationalen Vergleich
nicht weiter wachsen.
Die Pflege einer Aktienkultur sollte also nicht nur Schauspielern, Influencern
und schicken Apps überlassen werden. Wenn die neue Bundesregierung steht, gehört
das Problem auf die Agenda. Die Sicherung des Wohlstands ist zu wichtig, um sie
dem Zufall zu überlassen.
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