27.05.2022 19:20:38

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DeFi in Schockstarre, Kommentar zum Kryptomarkt von Alex Wehnert

Frankfurt (ots) - Der Kryptomarkt befindet sich nach den jüngsten Turbulenzen in

Schockstarre - und ein Ende dieses Zustands ist vorerst nicht in Sicht. Doch

während in der breiten Diskussion an den Finanzmärkten die Kursrücksetzer der

führenden Digitalwährung Bitcoin im Fokus stehen, ist die Wertvernichtung im

dezentralisierten Finanzwesen (DeFi) noch wesentlich besorgniserregender. Der

Grundgedanke hinter DeFi besteht darin, klassische Finanzkonzepte mit

Distributed-Ledger-Technologien zu verbinden und zentrale Intermediäre wie

Börsenmakler und Banken abzulösen. Dabei helfen Smart Contracts, also

Computerprotokolle, die Verträge abbilden sowie Transaktionen dezentral und

automatisiert ausführen können. Seit Anfang Mai sind aus Smart Contracts mit

DeFi-Bezug laut der Plattform DeFi Llama mehr als 90 Mrd. Dollar abgeflossen -

am Freitag belief sich das Volumen des Kryptokapitals, das in solchen

Protokollen lag, auf nunmehr 106 Mrd. Dollar.

Ein bedeutender Teil der Abflüsse dürfte darauf zurückzuführen sein, dass der

Kollaps des Stablecoin TerraUSD (UST) das Vertrauen in dezentrale Anwendungen

erheblich beschädigt hat. Der algorithmische Krypto-Token, der eigentlich

Wertstabilität gewährleisten sollte und an den Dollar gekoppelt war, hatte zu

Monatsbeginn vollständig die Bindung an den Greenback verloren und soll nun im

Zuge eines Wiederaufbauplans für die zugehörige Blockchain effektiv begraben

werden. Der UST-Crash traf auch Bitcoin hart, weil die Organisation hinter dem

Stablecoin großvolumige Reserven in der führenden Cyberdevise hält und diese in

dem Versuch, das eigene System zu stabilisieren, anzapfen musste.

Doch die zweitgrößte Digitalwährung Ether geriet noch deutlich heftiger unter

Druck: Auf Monatsfrist hat sie zum Dollar nahezu 40 % an Wert eingebüßt, bei

Bitcoin beträgt der Verlust 28 %. Trotz seiner beträchtlichen Rücksetzer ist der

Marktprimus damit relativ zur Nummer zwei des Segments so teuer wie zuletzt im

vergangenen Oktober, als die Einführung Futures-basierter Bitcoin-ETFs in den

USA eine gewaltige Euphorie unter den Anlegern entfacht hatte. Auch in Bezug auf

das gesamte Kryptosegment hat die älteste Cyberdevise zuletzt wieder an Dominanz

gewonnen: Ihr Anteil an der gesamtem Marktkapitalisierung aller umlaufenden

Krypto-Einheiten ist laut der Plattform Coinmarketcap auf 45 % gestiegen,

nachdem er zu Jahresbeginn noch unter die Marke von 40 % gefallen war.

Diese Entwicklung hängt auch damit zusammen, dass Stablecoins wie UST integraler

Bestandteil vieler DeFi-Anwendungen sind - und der Trend zum dezentralen

Finanzwesen für Bitcoin eine wesentlich geringere Rolle spielt als für Ethereum

oder andere Herausforderer wie Solana oder Cardano. Denn während Letztere häufig

gleich mit DeFi-Fokus gestartet sind, ist die Bitcoin-Blockchain erst seit dem

im vergangenen November aufgespielten Upgrade "Taproot" fähig, komplexere Smart

Contracts abzubilden. Dies zeigt auch das Volumen des jeweils gespeicherten

Kryptokapitals: In dezentralen Protokollen auf Ethereum liegen noch immer 67,5

Mrd. Dollar, auf Bitcoin sind es lediglich 166 Mill. Dollar.

Für Ether bahnen sich nun zusätzliche Rückschläge an, weil sich im Zuge der lang

erwarteten Umstellung des Ethereum-Netzwerks auf den

Proof-of-Stake-Konsensmechanismus Unstimmigkeiten ergeben haben. Mit dieser soll

der Betrieb der Blockchain gerade im Vergleich zum von Bitcoin genutzten,

äußerst rechenintensiven Proof-of-Work-Mechanismus energieeffizienter werden.

Infolge zuletzt offenbar gewordener Sicherheitslücken droht sich die Umstellung

aber zu verzögern.

Bitcoin besitzt im aktuellen Umfeld also leichte Vorteile gegenüber den

stärksten Herausforderern. Aufwärtspotenzial ergibt sich für den Marktprimus

damit aber noch lange nicht, da dieser aufgrund seiner Rolle als

Spekulationsobjekt besonders stark unter der allgemeinen Risikoscheu an den

Finanzmärkten leidet - und diese wird durch die jüngsten Stablecoin-Turbulenzen

eben noch einmal verstärkt.

Pressekontakt:

Börsen-Zeitung

Redaktion

Telefon: 069-2732-0

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