17.06.2016 20:00:40

OTS: Börsen-Zeitung / Börsen-Zeitung: Zurück ins Mittelalter?, Marktkommentar ...

Börsen-Zeitung: Zurück ins Mittelalter?, Marktkommentar zum Brexit von

Dieter Kuckelkorn

Frankfurt (ots) - Am 23. Juni, so scheint es, entscheidet der

britische Wähler über die Zukunft Europas. Mit dem Brexit-Votum, so

legen jedenfalls die Kommentare vieler Politiker nahe, geht es nicht

nur darum, ob Großbritannien Mitglied der Europäischen Union (EU)

bleibt, sondern um viel mehr: Möglicherweise steht gar die Existenz

der EU auf dem Spiel. Und mancher prominente britische Brexit-Gegner

erweckt zumindest den Eindruck, dass Großbritannien im Fall des

Austritts wirtschaftlich quasi ins frühe Mittelalter zurückgeworfen

werden könnte.

Während die aktuellen Umfragen zeigen, dass sich der britische

Wähler von diesen düsteren Perspektiven nicht so recht beeinflussen

lässt, liegen an den Märkten die Nerven blank. Der Dax ist von mehr

als 10.300 Punkten unter die Marke von 9.500 Zählern gerutscht. Euro

und Pfund stehen unter Druck, während die Marktteilnehmer in sichere

Häfen wie Schweizer Franken und Yen fliehen. Investoren schichten in

großem Umfang von Aktien in Anleihen um. Bei Bundesanleihen ist

inzwischen die Rendite der gesamten Zinskurve bis einschließlich zehn

Jahren Laufzeit negativ, in der Schweiz ist sogar die Verzinsung der

30-jährigen Staatsanleihe ins Negative gerutscht.

Dabei wird befürchtet, dass ein Brexit noch nicht vollständig

eingepreist ist, zumal es gemäß den Umfragen, die noch immer eine

größere Zahl Unentschlossener ausweisen, auch durchaus zu einem Votum

für den Verbleib innerhalb der EU kommen könnte. Wenn das Ereignis

noch nicht ausreichend vorweggenommen ist, droht dann ein Armageddon

an den Märkten, falls die Briten wirklich der EU den Rücken kehren?

Die jüngsten Prognosen von Analysten zeigen jedenfalls Besorgnis.

Die Experten der Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba) weisen darauf

hin, dass klassische Angstindikatoren wie die implizite

Aktienvolatilität mit dem Näherrücken des Referendums sprunghaft

angestiegen sind. Der Pessimismus sei inzwischen ähnlich ausgeprägt

wie im Februar, als Wachstumsängste ihren vorläufigen Höhepunkt

erreicht hätten. Unterstellt man, dass Aktien einen möglichen Brexit

mit der gleichen Wahrscheinlichkeit von etwa 40 Prozent eingepreist

haben wie die Buchmacher in London, ergibt sich nach Ansicht der

Helaba-Experten für den Fall eines tatsächlichen Ausscheidens rein

rechnerisch für den Dax zunächst ein Rückschlagpotenzial bis in den

Bereich von 8.500 bis 8.000 Punkten. Die auf Risikomodelle

spezialisierte Research-Firma Axioma vertritt die Auffassung, dass

den europäischen Aktienmärkten ein Einbruch von 24 Prozent droht.

Die Ökonomen der Citigroup halten es für möglich, dass sich die

Flucht in Qualität weltweit zuspitzt, so dass selbst die Rendite

zehnjähriger US-Treasuries in negatives Terrain fallen könnte. Und

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker spricht gar von einer

längeren Phase großer Ungewissheit, die nicht nur Europa, sondern die

ganze Welt in Mitleidenschaft ziehen werde.

Während im Fall eines Votums der britischen Wähler für einen

Brexit kurzfristig in der Tat mit heftigen Turbulenzen an den Märkten

gerechnet werden muss, ist es jedoch fraglich, ob diese länger

anhalten. So ist es nämlich keine ausgemachte Sache, dass es im Fall

einer Entscheidung für den Brexit zu einer echten ökonomischen

Trennung Großbritanniens von der EU kommt. Wahrscheinlicher ist, dass

ein Status für die Insel ausgehandelt wird, der dem Land die

wesentlichen ökonomischen Vorteile der EU-Mitgliedschaft erhält, so

dass nur das politische Mitspracherecht in Brüssel wegfällt bzw.

künftig hinter den Kulissen ausgeübt wird. Ausgeschlossen werden kann

auch nicht, dass das mehrheitlich für einen Verbleib in der EU

eintretende britische Parlament das Votum der Wähler - nach einer

Karenzzeit - schlicht ignoriert, zumal es rechtlich nicht bindend

ist.

Dies alles wissen natürlich auch die Akteure an den

Kapitalmärkten. Dass die Turbulenzen an den Märkten dennoch recht

deutlich ausgefallen sind, legt den Verdacht nahe, dass aktuell nicht

nur Brexit-Angst eine Rolle spielt. Offensichtlich machen sich viele

Marktteilnehmer - wie schon im Februar - wegen der sich eintrübenden

globalen Konjunkturaussichten erhebliche Sorgen. Diese Befürchtungen

dürften aber mittlerweile hinreichend eingepreist sein, so dass aus

dieser Perspektive den Märkten vorerst wenig zusätzliches Ungemach

droht. Wenn man dann noch davon ausgeht, dass die Marktteilnehmer die

Brexit-Katastrophenrhetorik eher kaltlässt, darf vermutet werden,

dass an den Kapitalmärkten die Juncker'sche Prophezeiung keine

Realität wird.

OTS: Börsen-Zeitung

newsroom: http://www.presseportal.de/nr/30377

newsroom via RSS: http://www.presseportal.de/rss/pm_30377.rss2

Pressekontakt:

Börsen-Zeitung

Redaktion

Telefon: 069--2732-0

www.boersen-zeitung.de

JETZT DEVISEN-CFDS MIT BIS ZU HEBEL 30 HANDELN
Handeln Sie Devisen-CFDs mit kleinen Spreads. Mit nur 100 € können Sie mit der Wirkung von 3.000 Euro Kapital handeln.
82% der Kleinanlegerkonten verlieren Geld beim CFD-Handel mit diesem Anbieter. Sie sollten überlegen, ob Sie es sich leisten können, das hohe Risiko einzugehen, Ihr Geld zu verlieren.
Eintrag hinzufügen
Hinweis: Sie möchten dieses Wertpapier günstig handeln? Sparen Sie sich unnötige Gebühren! Bei finanzen.net Brokerage handeln Sie Ihre Wertpapiere für nur 5 Euro Orderprovision* pro Trade? Hier informieren!
Es ist ein Fehler aufgetreten!

Indizes in diesem Artikel

DAX 20 329,94 -0,05%