12.06.2015 19:56:39

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Börsen-Zeitung: Vom Bondmarkt erschrocken, Marktkommentar von

Christopher Kalbhenn

Frankfurt (ots) - Es liest sich wie Werbung für sportive Modelle

aus deutscher Autoproduktion: "Von null auf hundert in acht Wochen",

titelte das Bankhaus M.M. Warburg vor dem Wochenende einen Kommentar

zum Anleihemarkt. Der Kursverfall der Staatsanleihen hat die

Marktteilnehmer stark erschrocken. Anfang April noch bei rekordtiefen

5 Basispunkten, erreichte die Rendite der zehnjährigen Bundesanleihe

in der abgelaufenen Woche die Marke von 1%. Nicht dass dies per se

ein Niveau wäre, bei dem befürchtet werden müsste, dass es die

Kreditvergabe und damit letztlich die Konjunktur abwürgen würde. Im

Gegenteil: Eine Verzinsung zehnjähriger Bundesanleihen mit 1% wäre

vor nicht allzu langer Zeit noch als völlig lächerlich bezeichnet

worden.

Das Problem ist jedoch das Tempo, in dem die Anleiherenditen

hochgeschossen sind. Marktteilnehmer treibt die Sorge um, dass das so

weitergehen könnte und es dadurch insgesamt zu heftigen Turbulenzen

an den Finanzmärkten kommen könnte. Daher will auch bei den

Institutionellen, die durch das Niedrigrenditeumfeld vor wachsenden

größeren Risiken hinsichtlich ihrer langfristigen Verpflichtungen

stehen, angesichts des nun etwas angehobenen Renditeniveaus derzeit

keine rechte Freude aufkommen.

Erschreckend genug sind auch die Spuren, die der Kursrutsch an den

Staatsanleihemärkten in den Portfolien hinterlässt. Weltweit haben

Staatsanleihen, gemessen am Bank of America Merrill Lynch Global

Government Index, im zweiten Quartal bislang 2,9% eingebüßt. Liegt

der Index auch am 30. Juni auf diesem Niveau, wäre dies laut

Bloomberg das Quartal mit der schwächsten weltweiten

Staatsanleihe-Performance seit dem Jahr 1987. Noch schmerzhafter

fällt die bisherige Quartalsbilanz der Bundesanleihen aus. Der

Gesamtertrag (Kuponrendite plus Kursentwicklung) seit Beginn des

Quartals beläuft sich auf -4,9%.

In den Analyseabteilungen der Banken stellen sich die

Anleiheexperten auf einen weiteren Anstieg der Renditen ein.

Allerdings wird nicht damit gerechnet, dass die Renditen in dem Tempo

der zurückliegenden Wochen weiter anziehen werden. Die Mehrheit geht

von auf längere Zeit niedrig bleibenden Renditen aus, einige Häuser

erwarten, dass die Renditen wieder nachgeben werden. Zu Letzteren

zählt die Commerzbank. Das Institut hält die in der Eonia-Kurve

implizierte Erwartung, dass die Tagesgeldsätze bis zum Jahresende um

mehr als 15 Basispunkte steigen, sowie den Anstieg der realen

Renditen für überzogen bzw. stark widersprüchlich zu den

geldpolitischen und Inflationsaussichten. Kurzfristig belastet jedoch

weiter die sich anbahnende Zinswende in den USA. Zusätzlich belasten

würden Anzeichen für einen Kompromiss mit Griechenland vor dem

Treffen der Eurogruppe am Donnerstag. Die Bank glaubt, dass die

zehnjährige Bundrendite zunächst bis rund 1,25% steigt, ehe die

Renditen im Sommer wegen des zunehmenden Reinvestitionsbedarfs wieder

nachgeben.

Die Helaba hat ihre Prognosen für die zehnjährige Bundrendite für

das dritte und das vierte Quartal um 75 Basispunkte auf 1,25% erhöht.

Der jüngste Renditeanstieg und die Kommentare von EZB-Chef Mario

Draghi hätten zuletzt den Eindruck vermittelt, dass die Notenbank den

Daumen vom langen Ende der Zinsstrukturkurve genommen hat. Die

Fundamentaldaten, die schon länger in eine positive Richtung wiesen,

könnten jetzt mehr Wirkung entfalten. Eine steigende Teuerung und

günstige Konjunkturdaten würden im zweiten Halbjahr belastend wirken.

Hinzu komme die anstehende Zinswende der Fed. "Deren Signalwirkung

sollte besser nicht unterschätzt werden, zumal QE seinen Nimbus

weitgehend eingebüßt hat."

M.M. Warburg glaubt, dass die Schwäche der Rentenmärkte "mit der

vermutlich im September stattfindenden ersten Zinserhöhung in den

USA" zu erklären ist. Sowohl 2004 als auch 1994 sei es an den

Rentenmärkten im Vorfeld einer ersten Zinserhöhung in den Vereinigten

Staaten zu Kursverlusten gekommen. Mit Blick auf die beiden

wichtigsten fundamentalen Einflussfaktoren, die die Zinsen

beeinflussten, nämlich das Wirtschaftswachstum und die Inflation,

unterscheide sich die heutige Situation entscheidend von den Jahren

1994 und 2004. Sowohl 1994 als auch 2004 sei es zu einer deutlichen

Beschleunigung des globalen Wirtschaftswachstums gekommen, damit

einher sei ein stärkerer globaler Preisauftrieb gegangen. Die Bank

rechnet jedoch mit einer gering bleibenden langfristigen Konjunktur-

und Inflationsdynamik. Dies deute darauf hin, dass das Zinsniveau

auch langfristig niedrig bleiben werde.

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