08.05.2014 20:57:49

OTS: Börsen-Zeitung / Börsen-Zeitung: Unwohl, Kommentar zur EZB von Mark Schrörs

Börsen-Zeitung: Unwohl, Kommentar zur EZB von Mark Schrörs

Frankfurt (ots) - Auch wenn einige noch relativieren - Mario

Draghi hat mit seiner Aussage, der EZB-Rat fühle sich wohl damit,

beim nächsten Mal zu handeln, de facto ein klares Signal gesetzt,

dass die Europäische Zentralbank (EZB) im Juni ihre Leitzinsen weiter

senken und/oder zu anderen Mitteln greifen wird. Wirklich verstehen

muss man das nicht - und gutheißen erst recht nicht. Auf keinen Fall

allerdings darf die EZB nun überziehen.

Natürlich gibt es bei solchen Ankündigungen immer eine

Restunsicherheit. Draghi hat sich aber nun selbst - und das bewusst -

derart unter Zugzwang gesetzt, dass es kaum vorstellbar erscheint,

wie er da ohne Gesichtsverlust herauskommen will, ohne im Juni

nachzulegen.

Sein Bekenntnis erscheint aber fast paradox, wenn er zugleich in

seinen - zentralen - "Einleitenden Bemerkungen" mehr oder weniger

jenes Bild bestätigt, das zuletzt stets als Argument gegen

Lockerungen genutzt wurde: eine aktuell und absehbar geringe

Inflation, die aber mit dem sich fortsetzenden Aufschwung

mittelfristig anzieht. Tatsächlich spricht weiter vieles dafür, dass

es so kommt.

Sicher hat es den Währungshütern einiges Kopfzerbrechen bereitet,

dass der Euro erneut nahe an die 1,40-Dollar-Marke herangeklettert

war. Eine weitere Aufwertung würde die Inflation weiter dämpfen. Da

brauchte es womöglich ein Signal. Aber das hätte nicht gleich eine

Vorfestlegung für Juni sein müssen.

Das größte Risiko einer lange niedrigen Inflation per se ist ohne

Frage, dass die Inflationserwartungen absacken. Einige Indikatoren

haben bereits nachgegeben. Aber bislang erscheinen sie noch stabil.

Die EZB tut deshalb gut daran, in Alarmbereitschaft zu sein. Das gilt

auch für die Risiken für die Erholung. Für Panik aber besteht kein

Grund.

Die EZB hat zudem das Problem, dass fast alle verbliebenen

Instrumente große Risiken bergen: Eine Leitzinssenkung etwa würde nur

in Kombination mit einem negativen Einlagesatz etwas bewirken. Die

EZB sieht das inzwischen gelassener, und es ist deshalb eine

realistische Perspektive. Aber es ist ein Schritt mit schwer

kalkulierbaren Folgen.

Als naheliegende Optionen erscheinen auch neue Liquiditätshilfen

oder ein Wertpapierkaufprogramm ("credit easing"). Die EZB läuft aber

Gefahr, die Banken weiter an ihren Tropf zu gewöhnen. Und wenn sie

als künftige Aufsicht den Banken Papiere abkaufte - was wäre das für

ein Signal? Von Staatsanleihen sollte die EZB auf jeden Fall die

Finger lassen, solange keine Deflation droht. Die EZB muss höllisch

aufpassen, nicht mehr Schaden anzurichten, als Nutzen zu stiften.

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