02.05.2016 20:40:39

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Börsen-Zeitung: Unverhandelbar, Kommentar zu TTIP von Detlef Fechtner

Frankfurt (ots) - Ignacio Garcia Bercero hat gestern einen

erschöpften Eindruck hinterlassen. Man kann es dem

EU-Chefunterhändler für das transatlantische Freihandelsabkommen TTIP

nicht verdenken. Schließlich beschwört Bercero seit Wochen, dass

zentrale Sozial- und Umweltstandards der EU unverhandelbar sind. Doch

das glauben ihm immer weniger Europäer. Und deshalb scheint TTIP

selbst unverhandelbar geworden zu sein.

Die gestrige Veröffentlichung vertraulicher Verhandlungspapiere

hat erneut Anschauungsunterricht geboten. Die Kritiker sahen sich in

ihren Sorgen bestätigt - die Verfechter wiederum entdeckten

ausschließlich Altbekanntes. Beide Seiten taten sich dabei mit

teilweise zweifelhaften Argumenten hervor. Einige Kritiker werteten

bereits Hinweise auf (in diesem Zusammenhang unbedenkliche)

Rückfragen bei der Industrie als endgültigen Beweis der Klüngelei und

der Selbstentmachtung der Politik. Manchem TTIP-Befürworter wiederum

genügten (durchaus berechtigte) Mahnungen mit Blick auf

US-Forderungen, um kritische Beobachter pauschal der Angstmacherei

und bewussten Irreführung zu bezichtigen.

Und was ergibt sich nun daraus? Die Aussichten, dass es in diesem

Jahr noch klappt mit einer Einigung, waren zuletzt bereits gering -

und schwinden zusehends. Auch ohne die "Enthüllungen" ist offenbar,

dass die Verhandlungsseiten noch sehr, sehr weit auseinanderliegen -

etwa beim Investorenschutz oder beim Zugang zu öffentlichen

Aufträgen. Ein Deal wäre nur denkbar, wenn beide Parteien einen

großen Schritt aufeinander zu machten. Das dürfte aber in Zeiten

verdammt schwierig werden, in denen Kandidaten bei US-Vorwahlen mit

TTIP-Kritik punkten und in denen auch die Parteien in Deutschland und

Frankreich ein Jahr vor Bundestags- und Präsidentschaftswahl wenig

Interesse haben, sich bei Aufregerthemen gegen den Wind zu stellen.

Vieles spricht dafür, dass die TTIP-Kontroverse sogar noch über

den Freihandel hinaus wirkt. Wer weiß, ob es künftig überhaupt noch

möglich sein wird, vertrauliche Verhandlungen zu führen? Gewiss, es

gibt einige gute Gründe für die Ausweitung der Transparenz.

Allerdings: Wenn alle Seiten jede Bewegung hin zu einem Kompromiss

stets dokumentieren müssen, werden umfassende Vorhaben wie

internationale Abkommen, die sich auf viele kleine Zugeständnisse

gründen und deren Vorteile sich erst auf Dauer zeigen, kaum mehr

möglich sein. In anderen Worten: So etwas wie die EU wird man unter

solchen Bedingungen wohl nicht mehr hinbekommen.

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