22.12.2017 20:45:41

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Börsen-Zeitung: Spannender als Gold, Marktkommentar von Dietegen

Müller

Frankfurt (ots) - Die bekannteste der sogenannten Kryptowährungen,

Bitcoin, hat in wenigen Tagen einen Wertverlust von bis zu 45%

erlitten. So genannt ist sie aber nicht wegen ihrer exorbitanten

Volatilität, sondern weil es sich bei Bitcoin und Co. bisher nur um

eine nicht eindeutig definierte Einheit handelt. In vielen Ländern

ist der Kauf und Verkauf von Bitcoin zwar legal, aber Kryptowährungen

sind nicht als Zahlungsmittel anerkannt. Ausnahmen gibt es, so gelten

Bitcoin in Japan seit diesem Jahr als legale Zahlungsmethode. Und es

gibt indirekte Formen staatlicher Anerkennung. In der Schweiz können

Bitcoin an Fahrkartenautomaten der Schweizerischen Bundesbahnen (SBB)

bezogen werden. Mit Bitcoin könne "an über 10000 Akzeptanzstellen

weltweit ohne Kreditkarte oder Bankverbindung schnell und bequem"

bezahlt werden, so die Staatsbahn.

Im Grunde handelt es sich bei Kryptowährungen nur um einen

digitalen Eintrag in einer als manipulationssicher geltenden

Datenbank, die weltweit über das Internet nutzbar und dezentral

organisiert ist. Kryptowährungen sind nichts anderes als

dematerialisierte, also nur in virtueller Form existierende

Wertansprüche, die im Idealfall auf eindeutige, also nicht

fälschlicherweise mehrfache, sowie auf eine sofort endgültige Weise

abgewickelt werden können. Anders als bei herkömmlichen Transfers

sind dabei keine Vermittler im Spiel wie Banken, die mit viel

juristischem beziehungsweise treuhänderischem Aufwand prüfen und

nachweisen müssen, dass diese Transaktionen so wie von den

Gegenparteien gewünscht stattgefunden haben und entsprechend verbucht

wurden.

Da ein rechtlicher Rahmen für digitalisierte Werttransfers über

das Internet erst in Herausbildung ist, sind viele Fragen nach der

Durchsetzung von mit Kryptoeinheiten verbundenen Eigentumsansprüchen

noch ungeklärt. Nicht zuletzt deswegen sind Behauptungen abwegig,

Bitcoin stelle eine Alternative zu Notenbankgeld ("Fiat-Geld") dar.

Es geht bei Kryptowährungen - so weit bisher zu sehen ist - nicht

darum, ob eine Geldproduktion dezentralisiert wird.

Nur weil aus Luft und Strom manipulationsresistente

Datenbankeinträge geschaffen werden können, besitzen diese Einträge

ja an sich noch keinen Wert. Sie erhalten diesen erst nach einer -

wie auch immer geformten - Anerkennung. Solange diese fehlt, haben

nur die dezentralen Systeme, die Kryptowährungen zugrunde liegen,

einen Wert. Der kann volkswirtschaftlich betrachtet durchaus enorm

sein. Durch den unmittelbaren Abschluss einer Transaktion zwischen

zwei Gegenparteien kann eine Art Demokratisierung von Zahlungsflüssen

stattfinden, weil die Kontrolle über diese Zahlungsbewegungen

dezentral verteilt wird. Zweitens können durch die Digitalisierung

von Beteiligungsrechten an (womöglich auch nur vermeintlich)

werthaltigen Produkten oder Dienstleistungen auch

Beteiligungsverhältnisse anders abgewickelt werden, und dies über das

Internet auch global. Es ist durch das Internet möglich, diese

Prozesse unabhängig von nationalen Rechtsräumen zu nutzen.

Es laufen aber auch Anstrengungen, etwa durch Erkennungssoftware

(sogenannte Deep Packet Inspection) Blockchain-Transaktionen aus dem

Internetverkehr herauszufiltern und damit entsprechende Geschäfte zu

blockieren. China exerziert dies gerade vor. Dies zeigt das

revolutionäre Potenzial, das in der Neuorganisation von Werttransfers

über das Internet liegt und in der Möglichkeit, digitale Zertifikate

zu schaffen, die mit allen möglichen Ansprüchen hinterlegt sein

können, seien es Edelmetalle, Einnahmeströme aus Lizenzen oder

Leistungen oder auch Eigentumsrechte, und diese über das Internet

auszutauschen.

Dabei gibt es große Unterschiede zwischen den technologischen

Grundlagen verschiedener Kryptowährungen. Sie haben Einfluss darauf,

welche Rolle solche künftig spielen. Werden sie eine Parallelwährung

zu Notenbank- und Geschäftsbankengeld - was Doppelspurigkeiten und

damit höhere Systemkosten bedeuten dürfte? Oder werden

Kryptowährungen letztlich obsolet, weil Notenbanken und

Geschäftsbanken ihre Zahlungsverkehrssysteme modernisieren und für

dematerialisierte globale Werttransfers öffnen? Oder entwickeln sich

Kryptowährungen hin zu hoch spezialisierten, global handelbaren,

digitalisierten Wertzertifikaten?

Bitcoin und Gold in einem Atemzug als mögliche Alternative zu

einer von Schulden und lockerer Geldpolitik korrumpierten

Zentralbankwährung zu nennen, ist vom falschen Ende her gedacht. Die

Bitcoin zugrunde liegende Technologie kann weit mehr als Gold und ist

spannender. Aber es gibt keinen Grund, sie deswegen als werthaltige

Anlage zu betrachten. Und traditionelles Geld dürfte noch lange die

Rolle eines Referenzpreises für Kryptoeinheiten einnehmen.

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