08.04.2016 20:03:39

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Börsen-Zeitung: Kurze Beine, Marktkommentar von Dietegen Müller

Frankfurt (ots) - Die Erholungsrally in Rohstoffen und Aktien

stockt. Im Ölmarkt etwa ist der Angebotsüberhang noch länger nicht

abgebaut. Auffällig ist nun, dass Dax und Euro Stoxx 50 seit Anfang

April sich weniger gut als US- und Schwellenländeraktien entwickelt

haben. Seit der Sitzung der US-Notenbank Mitte März verzeichneten die

Emerging Markets einen starken Kapitalzufluss, wie Daten des

Institutes of International Finance zeigen. Und gemäß der People's

Bank of China nahmen im März in Sonderziehungsrechten berechnet die

Währungsreserven erstmals seit November vergangenen Jahres wieder zu.

Mit den Ankündigungen der kommunistischen Regierung,

wachstumsstimulierende Maßnahmen zu ergreifen, hat dies den

Abwärtsdruck auf die chinesische Währung verringert. Die Zweifel sind

nicht ausgeräumt, ob das chinesische Experiment wie von der Partei

gewünscht ausgehen wird.

Diese Unsicherheit strahlt gerade auf Deutschland ab. Die

Abhängigkeit der deutschen Industrie von Aufträgen aus Asien ist

überproportional hoch. Dies dürfte die Underperformance des Dax

erklären, die auf Sicht von einem Jahr mit gut einem Fünftel

signifikant größer als die Aufwertung des Euro um einige

Prozentpunkte ist. Nicht viel besser sieht es aber auch insgesamt mit

den europäischen Werten aus.

Es gibt viele Erklärungsansätze, warum dies so ist. Erwartetes

dürftiges Wachstum und nicht zuletzt eine vermutete Wirkungslosigkeit

der Geldpolitik - verwiesen wird auf Japan - sind Risiken. Eine

Vielzahl an Mikrofaktoren kommt dazu. Ein gelistetes Unternehmen

verdient nicht per Gesetz seine Kapitalkosten. Im Dax sind eine

Beiersdorf, Daimler, ProSieben Sat.1 oder Henkel, die stattliche

Renditen auf ihr investiertes Kapital erzielen, nicht per se die

Regel.

Bleibt das Wachstum in den Schwellenländern schwach, geraten alle

Unternehmen unter Druck, die noch das Kunststück geschafft haben, den

Unternehmenswert knapp steigern zu können. Hinzu kommen neue

Wettbewerber, die digitale Geschäftsmodelle ausrollen. Jüngstes

Beispiel ist der angekündigte Vorstoß von Amazon, in Deutschland in

die Paketzustellung investieren zu wollen. Die Anleger der Deutschen

Post macht dies zu Recht unruhig.

Doch auch in den USA mit einer weniger stark alternden

Gesellschaft und höheren erwarteten Wachstumsraten ist nicht alles

Gold, was glänzt. Ein Blick auf die erwartete Cash-flow-Entwicklung

zeigt, dass für die 30 Dax-Werte wie auch für die Titel im S&P 500 in

diesem Jahr die Bloomberg-Schätzungen mit einem Anstieg des

Kurs-Cash-flow-Verhältnis rechnen. Will sagen: Das

Cash-flow-Wachstum, aus dem ein Aufwärtsimpuls für die

Bewertungsmultiples kommen könnte, fehlt. Und was geschieht, wenn der

Mittelzufluss gar nicht mehr rentabel genug reinvestiert werden kann?

Die Optimisten werden sagen: Wettbewerb gab es immer, die

Unternehmen sind anpassungsfähiger als gedacht, die Tiefstzinsen

erleichtern es, wachstumsmehrende Investitionen zu tätigen, da die

Kapitalkosten sinken. Auch erscheint die Bewertung nicht übertrieben

hoch. Pessimisten werden sagen: Was früher war, wird nicht mehr sein.

Die Weltwirtschaft wird nie mehr frühere Wachstumsraten erreichen

können. Deshalb nimmt der Verteilungskampf global zu: Der Kuchen

wächst in absoluten Zahlen noch stattlich, aber die Zahl der Akteure,

die daran teilhaben will, steigt. Zugleich fehlt es demografisch

bedingt im Heimatmarkt für europäische Unternehmen an Wachstum.

Unter diesen Gesichtspunkten sieht Europa in einem Portfolio

tatsächlich alt aus. Hinzu kommen spezifische politische Risiken,

angefangen vom möglichen Brexit über eine neuerliche Zuspitzung der

Krise in Griechenland und einen schleichenden Zerfall der

Staatengemeinschaft. Auch hiesige Bankaktien signalisieren

Deplorables.

Hat die Rally also kurze Beine? All dies legt dies nahe. Doch

nichts von dem, was hier geschrieben steht, ist nicht schon im Markt

bekannt. Es müssen unbekannte Faktoren sein, die den Anstoß für die

nächste Korrektur oder die Fortsetzung der Rally geben. Ohne aktive

Auseinandersetzung mit einzelnen Unternehmen wird in einem solchen

Umfeld kaum eine Überrendite erzielbar sein. Umgekehrt winken

angesichts der hohen Risikoprämien womöglich stattliche Gewinne. Die

krisenhaften siebziger Jahre zeigen, dass gerade in Seitwärtsmärkten

mit Momentumstrategien und Stock Picking erhebliche Überrenditen zu

erreichen waren.

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