21.01.2019 20:30:41

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Börsen-Zeitung: Extremismus der Mitte / Kommentar von Andreas Hippin

zum "Plan-B" für den Brexit

Frankfurt (ots) - Zu den Grundlagen der Demokratie gehörte bis vor

kurzem noch, Mehrheitsentscheidungen mitzutragen, auch wenn man

selbst dagegen war. Man erkannte eine Regierung auch dann an, wenn

man selbst nicht für sie gestimmt hat. Nach dem britischen

Volksentscheid für den EU-Austritt und der Wahl Donald Trumps in den

USA wurde dieser Konsens von einem Teil der Wahlverlierer

aufgekündigt. Sie sind bis heute nicht bereit, sich mit

ihrer Niederlage abzufinden. Der politische Stillstand

in Großbritannien geht darauf zurück, dass sich die tiefe Spaltung

des Landes in Brexiteers und Remainer sowohl durch die großen

politischen Parteien als auch durch Theresa Mays Kabinett zieht.

Wer ernsthaft erwartet hatte, die Premierministerin könnte nach

drei Sitzungstagen einen Plan B aus der Tasche ziehen, nachdem das

Unterhaus den in ihrem Namen ausgehandelten 585-seitigen

EU-Austrittsvertrag mit überwältigender Mehrheit niedergestimmt hat,

wurde gestern enttäuscht. Das kleine Häuflein britischer

Unterhausabgeordneter unterschiedlicher Parteizugehörigkeit um den

ehemaligen Generalstaatsanwalt Dominic Grieve, das sie zu diesem

Auftritt gezwungen hat, verfolgte damit aber ganz andere Ziele. Ihnen

geht es darum, mit Hilfe von juristischen Mitteln und allerlei

Geschäftsordnungstricks den immer näher rückenden Austritt um jeden

Preis zu verhindern. Eine Mehrheit der Abgeordneten war schließlich

für den Verbleib in der EU. Und jede noch so dürftige Vorlage der

Regierung ermöglicht Amendments, durch die das Parlament May die

Richtung vorgeben kann.

Es ist der Extremismus der Mitte, der sich in diesem Handeln

Ausdruck verschafft. Obwohl beim EU-Referendum 1,27 Millionen

Menschen mehr für den Austritt als für den Verbleib stimmten, gibt es

für manche der Verlierer bis heute keinen Kompromiss. Dabei verfügen

sie über ein erstaunliches Sendungsbewusstsein. Die mehr als 17

Millionen Menschen, die für den Brexit votiert hatten, werden von

ihnen wahlweise als vertrottelte Provinzler dargestellt, die nicht

wussten, wofür sie ihre Stimmen abgaben, als verkalkte Oldtimer, die

der Jugend keine strahlende Zukunft in Europa gönnen wollen, oder

gleich als verkappte Ausländerfeinde.

Würde das Parlament der Regierung die Kontrolle über

den Austrittsprozess entreißen, brächte das nicht mehr Demokratie. Es

würde nur die Gräben vertiefen. Und weil sich die Remainer auf

nichts einigen können, stünde Ende März ein ganz und gar ungeregelter

Exit an.

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