15.06.2018 19:49:42
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Börsen-Zeitung: Durststrecke / Kommentar von Dietegen Müller zur
Marktentwicklung in den Schwellenländern
Frankfurt (ots) - Die US-Notenbank könnte noch zweimal in diesem
Jahr an der Zinsschraube drehen. Dies hat sie zur Wochenmitte
deutlich gemacht. Auch für nächstes Jahr haben die US-Notenbanker
ihre Zinsprojektionen im Mittel gegenüber März leicht angehoben.
Längerfristig blieb der Median mit 3,375 % (2020) und 2,875 %
(längerfristig) dagegen unverändert. Zugleich läuft die Wirtschaft
weiterhin ziemlich gut, auch wenn es da und dort Abschwächungszeichen
zu sehen gibt.
Dies ist der Hintergrund für die Schwellenländermärkte, die in der
ersten Jahreshälfte einen schwierigen Auftakt hatten. Gemessen am
MSCI Emerging Markets Gross Return in Dollar liegen die Kurse der
Schwellenländer-Aktien leicht unter dem Niveau von Ende 2017. Die im
Januar 2016 gestartete Hausse ist einer Seitwärtsbewegung gewichen.
Zuletzt haben Negativschlagzeilen überwogen: Währungsverfall in der
Türkei, in Argentinien, auch in Brasilien. Eben noch als viel
versprechende Wachstumsregion verkauft, scheinen heute
Schwellenländer schon aus der Mode gekommen.
Am stärksten zugespitzt hat sich die Lage in Argentinien. Die vor
einem Jahr aufgelegte hundertjährige argentinische Staatsanleihe in
Dollar über 2,75 Mrd. Dollar und mit 7,125 % Kupon war zur Auflage
noch mehrfach überzeichnet. Heute wenden sich die Investoren ab, der
Kurs notiert bei gut 80 % des Nennwerts. Der argentinische Peso ist
zugleich gegenüber dem Dollar auf bis 27,7 Peso abgestürzt - vor
einem Jahr wurden noch Kurse von gut 15 Peso gestellt. Der
Internationale Währungsfonds gab vor gut einer Woche eine Zusage über
50 Mrd. Dollar. Ökonomen bezweifeln, dass dem von hohen Defiziten und
hoher Inflation, einem schwachen Finanzsektor sowie einer erratischen
Reformpolitik geprägten Land bald die Wende zum Besseren gelingt.
Unter Druck ist auch Brasilien. Für 1 Dollar mussten zuletzt 3,8
Real bezahlt werden, kaum weniger als zum Rekordtief Ende Dezember
2015. Die innenpolitische Unsicherheit wird hier mit angekreidet. Die
UBS rät in einer Einschätzung zu "Qualitätsmärkten" wie Mexiko und
Chile, da die Volatilität der Währungen und Aktienkurse in
Lateinamerika hoch bleiben dürfte. Die Innenpolitik wird auch die
Entwicklung türkischer Assets beeinflussen - in dem Land stehen am
24. Juni vorgezogene Wahlen an.
Was Argentinien, die Türkei und - stark abgeschwächt - Brasilien
im Extrem zeigen, ist ein generelles Thema: sich verändernde
Kapitalströme durch steigende US-Zinsen. Zudem reduziert sich durch
geldpolitische Normalisierungsbemühungen wie dem Auslaufen der
Netto-Anleihekäufe durch die Europäische Zentralbank die Liquidität
im Finanzsystem. Während politische Ereignisse dabei schwierig zu
prognostizieren sind, ist die derzeitige Dollar-Knappheit in den
Augen vieler Marktbeobachter ein Faktum, obwohl sich der beste
Indikator dafür, der Dollar-Libor-OIS-Spread, wieder auf 40
Basispunkte verringert hat. Er war zwischen November und März von
rund 10 auf 60 Basispunkte geklettert.
Da der Finanzierungsbedarf der USA durch Donald Trumps
Defizitwirtschaft deutlich steigt, schließen einige Beobachter weiter
steigende US-Zinsen und somit Zuflüsse in die USA nicht aus, was den
Dollar stützen dürfte. Zugleich könnten US-Investoren einen weniger
großen Druck verspüren, im Ausland zu investieren. Dies könnte die
Schwellenländermärkte in eine Durststrecke führen, auch wenn die
Bewertungen vieler Assets dort deutlich ansprechender aussehen als
etwa jene von US-Aktien. Kommt es zu diesem Szenario, hätte das
genannte Problemtrio der Schwellenländermärkte eine harte Zeit vor
sich.
Investoren tun aber gut daran, die Schwierigkeiten dieser drei
Länder nicht zu verallgemeinern. Die Zinserwartungen der US-Notenbank
legen zudem nahe, dass die US-Zinsen ab 2020 kaum weiter steigen. Die
Frage ist aber - warum? Wegen fehlendem Inflationsdruck und
Konjunkturabkühlung? Die waghalsige Stimuluspolitik Trumps lässt
anderes erwarten. Hinzu kommen unkalkulierbare Effekte eines sich
weiter auszudehnen scheinenden Handelskonflikts. Gibt das dem
Wachstum den entscheidenden Schlag? Oder zieht die US-Inflation
vielmehr in diesem Umfeld stärker an?
Zumindest die Handelskonflikte und die Fiskalpolitik sprechen für
zunächst höhere Teuerungsraten und womöglich höhere US-Zinsen als
derzeit erwartet. Dies dürfte die Schwellenländer nicht ungeschoren
lassen und könnte irgendwann sogar das hässliche Wort Stagflation in
Mode bringen lassen.
(Börsen-Zeitung, 16.06.2018)
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