08.03.2019 20:26:42

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Börsen-Zeitung: Das Eis wird immer dünner, Marktkommentar von

Christopher Kalbhenn

Frankfurt (ots) - Die jüngsten Beschlüsse und Verlautbarungen der

EZB bedeuten für die Finanzmärkte einen tiefen Einschnitt. Die

Verschiebung der ersten Leitzinsanhebung auf 2020, die neuen

Langfristkredite für Banken und nicht zuletzt die deutliche Senkung

der Wachstumserwartungen haben die letzten Unklarheiten über die

Aussichten beseitigt: Das extrem niedrige Zinsniveau des Euroraums

wird noch sehr lange Bestand haben, und zwar länger, als es die

Währungshüter signalisieren. Auch 2020, äußerte sich die Commerzbank

am Freitag überzeugt, wird die Notenbank den Einlagensatz

unangetastet auf seinem rekordtiefen Niveau belassen, und am Markt

wird eine erste Anhebung erst für September 2020 eingepreist.

Auch wenn ein Teil der Nachrichten aus dem Frankfurter Ostend an

den Märkten bereits antizipiert worden war, spiegelt ihre Reaktion

den Einschnitt deutlich wider. Die laufende Verzinsung zehnjähriger

Bundesanleihen sank zum Wochenschluss bis auf ein

Zweieinhalbjahrestief von 0,05 Prozent und peilt damit wieder den

negativen Bereich an, in dem sich die Laufzeiten bis neun Jahre

längst befinden. Das einstige Euro-Sorgenkind Portugal erfreut sich

sogar der günstigsten Finanzierungskosten seiner Geschichte. Bis auf

ein Rekordtief von 1,34 Prozent sank die Rendite der zehnjährigen

portugiesischen Staatsanleihe nach der Ratssitzung der EZB, und der

Negativzinsbereich des Landes reicht nun bis zur dreijährigen

Laufzeit.

Doch was den Treasurer Portugals und die Halter von

Euroland-Staatsanleihen zunächst freuen mag, ist in Wirklichkeit

alles andere als schön, und mit nachgebenden Aktienkursen wurde auch

das an den Märkten reflektiert. Die Konjunktur des Euroraums kühlt

sich empfindlich ab, das Wachstum sinkt weit stärker, als dies noch

vor wenigen Wochen erwartet worden war. Und am Freitag folgten die

nächsten Hiobsbotschaften: Der Auftragseingang der deutschen

Industrie brach im Januar im Vergleich zum Vormonat um 2,6 Prozent

ein, und im Maschinenbau fielen die Bestellungen im

Vorjahresvergleich um 9 Prozent.

Doch der Euroraum ist nicht allein. Aus allen drei Zeitzonen gehen

zurzeit reihenweise Nachrichten ein, die eine Abkühlung anzeigen. Die

US-Notenbank stellte in ihrem jüngsten Konjunkturbericht fest, dass

sich die Wachstumsdynamik im Februar und Anfang März abgeschwächt

hat, wozu allerdings der Government Shutdown beitrug. In China senkte

die Führung ihre Wachstumsprognose für 2019 auf 6,0 bis 6,5 Prozent.

Zum Wochenschluss wurden für den Februar ein Einbruch der Exporte des

Landes im Vorjahresvergleich um rund 20 Prozent und des

Automobilabsatzes um 18,5 Prozent bekannt gegeben. Australien

schockte zuletzt mit einem in den letzten drei Monaten 2018 im

Vergleich zum dritten Quartal abgesackten Wachstum von 0,2 Prozent.

Das war das niedrigste Quartalswachstum seit zwei Jahren. Das

annualisierte Wachstum des Kontinents im zweiten Halbjahr lag bei 0,9

Prozent und damit auf dem niedrigsten Niveau seit der Finanzkrise.

Damit droht sich das Szenario für den Aktienmarkt zu zerschlagen,

mit dem Strategen in das Jahr 2019 gestartet waren: Ein leicht

nachlassendes, aber immer noch zufriedenstellendes globales Wachstum,

das Spielraum für ansprechende Steigerungen der Unternehmensgewinne

lässt. Stattdessen nimmt nun das Rezessionsrisiko tendenziell zu.

Italien befindet sich bereits in der Rezession, Deutschland ist sie

im zweiten Halbjahr 2018 nur knapp erspart geblieben. Das Eis wird

immer dünner.

Doch noch ist längst nicht entschieden, dass die Weltwirtschaft

schon recht zeitnah in die Rezession abrutschen wird. So unternimmt

China mit fiskalischen und geldpolitischen Maßnahmen enorme

Anstrengungen, um das eigene Wachstum in Schwung zu halten. Zudem hat

die US-Notenbank mit ihrem geldpolitischen Schwenk Unternehmen und

den Finanzmärkten die Sorge genommen, dass sie mit ihren

Bremsmanövern überziehen und damit die Konjunktur abwürgen könnte.

Darüber hinaus geht China im Handelsdisput auf die Vereinigten

Staaten zu, um eine Eskalation des Streits zu verhindern. Dieser

sorgt seit langem für erhebliche Verunsicherung und ist einer der

stärksten Hemmfaktoren der Weltwirtschaft. Wird der Konflikt gelöst,

würde das viele Blockaden lösen und etwa bislang zurückgehaltene

Investitionen anschieben. Das Gleiche gilt für das Brexit-Drama,

dessen Ausgang derzeit noch völlig ungewiss ist. Damit besteht

durchaus noch die Chance, dass sich das globale Wachstum stabilisiert

und den Anlegern der zweite schlechte Aktienjahrgang in Folge erspart

bleibt.

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