23.05.2016 20:36:40
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Börsen-Zeitung: Baumanns Weg, Kommentar zu Bayer von Annette Becker
Frankfurt (ots) - "Lieber Werner Baumann, do it your way!" Mit
diesen Worten hatte Marijn Dekkers, der zum 1. Mai ausgeschiedene
Bayer-Chef, die handschriftliche Notiz bei der traditionellen
Übergabe des Staffelstabs an seinen Nachfolger versehen. Wie sich
zeigt, ist Baumann durchaus gewillt, einen neuen Weg einzuschlagen.
Mit der 62 Mrd. Dollar schweren Offerte für Monsanto, den weltgrößten
Saatguthersteller, versucht sich Bayer nicht nur an der größten
Akquisition der Firmengeschichte, sondern auch an der größten
Firmenübernahme, die ein deutsches Unternehmen je anpackte. Dass
Bayer das Angebot im Zweifel auch gegen den Willen des
Monsanto-Managements lancieren würde, scheint ausgemachte Sache -
koste es, was es wolle.
Dafür spricht nicht zuletzt der Übernahmepreis, bieten die
Leverkusener doch eine Prämie von einem Drittel auf den gewichteten
Durchschnittskurs der vergangenen sechs Monate. Bezahlt wird das
15,8-Fache des operativen Ergebnisses vor Abschreibungen (Ebitda).
Der Kapitalmarkt gesteht Monsanto aktuell etwa das 12-fache des
Ebitda zu. Damit bewegt sich Bayer zwar auf branchenüblichem Niveau -
Chemchina lässt bei Syngenta das 16,6-Fache springen -, doch treiben
die Relationen zur eigenen Bilanz den Investoren nicht ganz zu
Unrecht Sorgenfalten auf die Stirn.
Bayer ist nach dem jüngsten Kurssturz - nicht zuletzt durch eine
mehr als verbesserungswürdige Kapitalmarktkommunikation verursacht -
nur noch knapp 70 Mrd. Euro schwer. Da die Übernahme vollständig in
bar bezahlt werden soll, ist eine kombinierte
Eigenkapital-/Fremdkapitalfinanzierung geplant im Verhältnis 25 zu
75. Faktisch wird Bayer das Grundkapital um knapp 20% erhöhen und
darüber hinaus mehr als 40 Mrd. Euro an neuen Schulden aufnehmen -
mehr als die Hälfte der aktuellen Marktkapitalisierung.
Der Verschuldungshebel, der derzeit grob das 1,5-Fache des Ebitda
ausmacht, würde somit auf über 4 hochgezogen. Damit ist das
Investment-Grade-Rating zwar nicht in Gefahr - Standard & Poor's hat
in einer ersten Einschätzung schon durchblicken lassen, dass sich
eine Herabstufung in Folge der Riesenakquisition auf maximal zwei
Stufen, also auf "BBB", beschränken würde. Klar ist aber auch, dass
sich Bayer auf die nächsten Jahre jedweden strategischen
Handlungsspielraums beraubte.
Asset-Verkäufe zur Finanzierung sind - so zumindest die offizielle
Lesart - nicht notwendig. Eine andere Aussage hätte allerdings auch
verwundert, hätte Bayer damit doch den Wert des Covestro-Pakets -
immerhin ist Bayer noch mit 64% an der Kunststoffsparte beteiligt -
noch weiter verringert. Dass die Börse dem Braten dennoch nicht
traut, lässt sich an der jüngsten Kursentwicklung des MDax-Werts
ablesen. Gestern verloren Covestro in der Spitze mehr als 4%, nachdem
der Wert in der vorigen Woche Federn lassen musste.
Strategisch, das sei an dieser Stelle klar gesagt, ist die
Transaktion natürlich wertstiftend. Nicht umsonst hatte sich Monsanto
im Vorjahr - wenn auch vergeblich - um die Übernahme von Syngenta,
dem weltgrößten Pflanzenschutzkonzern, bemüht. Es geht darum, den
Landwirten ein Rundum-sorglos-Paket anzubieten. Neues Saatgut, das
Kerngeschäft von Monsanto, wird im Idealfall mit den genau darauf
abgestimmten Herbiziden oder Insektiziden, der Stärke von Bayer
Cropscience, kombiniert und dann als Gesamtpaket angeboten.
Bislang kooperierten die großen Agrochemiekonzerne über
Lizenzvereinbarungen miteinander. Wer die besten
Pflanzeneigenschaften (traits) entwickelte, hatte die Nase beim
Kunden vorn. Im Zuge der jüngsten Konzentrationsbewegung - Dow
Chemical und DuPont stehen vor der Fusion, Syngenta wird von Chinesen
geschluckt - droht diese industrieweite Zusammenarbeit nun jedoch zum
Auslaufmodell zu mutieren.
Wie in der Pharmaindustrie kommt es auch in der Agrochemie
entscheidend auf die Forschungskapazitäten und -fähigkeiten an.
Gerade in dieser Hinsicht macht Größe den Unterschied. Mit einem
kombinierten Budget für Forschung & Entwicklung von 2,5 Mrd. Euro
läge der neue Agrochemieriese von Bayer künftig unangefochten an der
Spitze. Die Nummer 2, Dow und DuPont, brachten 2015 zusammen gerade
einmal 1,6 Mrd. Euro auf die Waage gefolgt von Syngenta/Chemchina mit
1,3 Mrd. Euro.
Obendrein steht angesichts einer beständig wachsenden
Weltbevölkerung außer Frage, dass die Agroindustrie einen Megatrend
bedient. Selbst wenn es, wie aktuell, aufgrund rückläufiger
Getreidepreise und rezessiver Tendenzen in einigen großen
Schwellenmärkten zu einer zyklischen Schwäche kommt, sind die
langfristigen Wachstumsaussichten überzeugend.
Auf einem anderen Blatt stehen die Risiken und Nebenwirkungen, die
sich Bayer mit der Übernahme einhandelt. Zu nennen wäre zum einen das
Integrationsrisiko, das die errechneten Synergien von 1,5 Mrd. Euro
nach drei Jahren schnell zu Makulatur werden lassen kann. Zum anderen
handelt es sich bei Monsanto um einen der am schlechtesten
beleumundeten Konzerne weltweit. Man muss nicht Deutscher sein, um
hinter gentechnisch verändertem Saatgut Risiken auszumachen. Bayer
selbst kann in diesem Thema auf einschlägige Erfahrungen
zurückblicken. Zudem lässt die brandaktuelle Diskussion um das von
Monsanto entwickelte Herbizid Glyphosat aufhorchen. Das Bekenntnis in
der Auseinandersetzung mit kritischen Stakeholder-Gruppen Erfahrung
mitzubringen, vermag das Reputationsrisiko nicht aufzuheben.
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