02.09.2022 19:34:38

OTS: Börsen-Zeitung / Bellende Hunde, Kommentar zum Yen von Martin Fritz

Bellende Hunde, Kommentar zum Yen von Martin Fritz

Frankfurt (ots) - Der Verfall der japanischen Währung hat das schlimmste Ausmaß

seit der Einführung des variablen Wechselkurssystems in Japan 1973 erreicht und

damit historische Dimensionen angenommen. Seit seinem Höchststand vor elf Jahren

büßte der Yen mehr als 46 % seines Wertes gegenüber dem Dollar ein. Der Rückgang

war stärker als während der Asien-Finanzkrise am Ende der 1990er Jahre. Allein

seit Jahresanfang ging es um 18 % auf ein 24-Jahres-Tief herunter.

Mit dem Überschreiten der 140er Marke nähert sich der Wechselkurs jenen 146 Yen

je Dollar, die 1998 eine konzertierte Stützungsaktion zusammen mit den USA

veranlassten. Mit der Abwertung in diesen Bereich wächst zugleich die

Wahrscheinlichkeit, dass die Inflationsrate auf über 3 % steigt und somit das

Preisziel der Bank of Japan von 2 % weit übertrifft. Die Entwicklung setzt die

bisherige Einheitsfront der Akteure der japanischen Geld- und Finanzpolitik

unter Stress, bröckeln wird sie aber nicht.

Der Verfall der japanischen Währung wird von der wachsenden Renditedifferenz

zwischen Dollar- und Yen-Staatsanleihen angetrieben. Verantwortlich dafür ist

die Bank of Japan, die im Gegensatz zur Fed die Zinsen nicht erhöht. Daran

dürfte Gouverneur Haruhiko Kuroda bis zum Ende seiner Amtszeit im April 2023

festhalten, weil die inländische Nachfrage für einen nachhaltigen Preisschub

fehlt. Premier Fumio Kishida ist der gleichen Meinung wie Kuroda und beruhigt

die unzufriedene Bevölkerung mit Subventionen für die Energiepreise.

Also müssen hochrangige Beamte die ungeliebte Aufgabe übernehmen, das Gespenst

einer Intervention heraufzubeschwören, um den Abwärtstrend des Yen zu

verlangsamen. Aber ihre Wortwahl blieb moderat und war nicht schärfer als bei

der vorigen heftigen Bewegung im Juni. Daher stärkten ihre Kommentare den

Yen-Kurs kaum. Denn der Devisenmarkt durchschaut das billige Manöver: Das

Finanzministerium in Tokio denkt gar nicht an eine Intervention.

Denn anders als 1998 würden die Vereinigten Staaten einen solchen Eingriff nicht

unterstützen, da das niedrige Yen-Niveau den hohen Renditeabstand zwischen den

Staatsanleihen widerspiegelt und damit angemessen scheint. Aus demselben Grund

verspricht eine einseitige japanische Intervention wenig Erfolg - im Gegenteil:

Am Finanzmarkt würden einige Akteure auf ein Scheitern der japanischen

Anstrengungen wetten. Auch in Europa hätte man wenig Verständnis für eine

japanische Intervention, da der Euro ebenfalls stark zum Dollar abgewertet hat.

Die Hunde bellen also nur, beißen werden sie sicher nicht.

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