Trotz Ukraine-Krieg 02.05.2022 16:47:00

Österreichs Arbeitslosenquote sinkt auf niedrigsten Wert seit 14 Jahren

Österreichs Arbeitslosenquote sinkt auf niedrigsten Wert seit 14 Jahren

Mit rund 327.300 Menschen ohne Job gab es die niedrigsten April-Arbeitslosenzahlen seit 2012 und mit 6,1 Prozent die geringste April-Arbeitslosenquote seit 2008. Zur Kurzarbeit vorangemeldet waren zuletzt rund 52.600 Personen.

Gegenüber dem Vorjahresmonat sind die Arbeitslosenzahlen um rund ein Viertel gesunken, im Vergleich zum Vorkrisenmonat April 2019 liegt die Arbeitslosigkeit um rund 9 Prozent bzw. 34.000 Personen niedriger.

Für Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP) ist die Situation am Arbeitsmarkt "nach wie vor gut". "Im Monatsrückblick ist erkennbar, dass der Krieg in der Ukraine und die dadurch notwendig gewordenen Wirtschaftssanktionen gegen Russland die positive Dynamik insgesamt bisher nur wenig gebremst haben", sagte Kocher am Montagvormittag bei der Präsentation der Arbeitsmarktzahlen in Wien. Die Rücknahme der Coronamaßnahmen und saisonale Effekte hätten für eine positive Dynamik am Arbeitsmarkt gesorgt.

Im Vergleich zur Vorwoche gab es aber um rund 2.300 mehr Arbeitslose. Der Großteil des Anstiegs ist laut Arbeitsministerium auf die Effekte in der Zwischensaison vor dem Sommer in den Branchen Beherbergung und Gastronomie zurückzuführen.

Bei den offenen Stellen gab es wieder einen neuen Rekord. Beim Arbeitsmarktservice (AMS) waren Ende April 128.777 offene Stellen als sofort verfügbar gemeldet. Das entspricht einem Anstieg von 59 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat. "Das sind ungefähr 40 Prozent der tatsächlich offenen Stellen. Wenn man das hochrechnet kommt man auf eine hohe Zahl von fast 300.000 offenen Stellen, die in Österreich verfügbar sind", sagte der Minister. Tourismus und Gastronomie seien besonders stark vom Personalmangel betroffen. Der Stellenmonitor des ÖVP-Wirtschaftsbunds kommt auf aktuell rund 272.000 offene Stellen.

Die Bekämpfung des Fachkräftemangels hat für Kocher hohe Priorität. Er verwies unter anderem auf den Ausbau der Qualifizierungsmaßnahmen und die Reform der Rot-Weiß-Rot-Karte. "Österreichs Betriebe leiden unter Personalmangel", so AMS-Vorstand Johannes Kopf in einer Stellungnahme. Das AMS werde bei seiner "Business Tour" ab Mitte Mai, bei der es Kontakt mit 7.000 Unternehmen geben wird, vor allem zu den Themen Arbeitsplatzattraktivität, Kompetenzorientierung und ganzheitliche Personalsuche beraten.

Bei den Voranmeldungen zur Kurzarbeit gab es laut Arbeitsministerium hingegen einen "spürbaren Anstieg" im Verlauf des Aprils. Zum Monatsende waren 52.588 Personen zur Kurzarbeit vorangemeldet. Die Lieferengpässe und der Ukraine-Krieg würden sich aber derzeit nur "sehr begrenzt" auf die Kurzarbeitszahlen auswirken, so Kocher. Das aktuelle Kurzarbeitsmodell läuft noch bis Ende Juni. Derzeit gibt es Verhandlungen zwischen Regierung und Sozialpartnern über eine neue Kurzarbeitsvariante. "Es wird ein Nachfolgemodell geben", betonte der Arbeitsminister. Es werde aber Änderungen geben, weil die Kurzarbeit nicht für "Schwankungen der normalen Geschäftstätigkeit" gedacht sei.

Kocher erwartet bis zum Herbst "eine niedrige fünfstellige Zahl" von ukrainischen Flüchtlingen am österreichischen Arbeitsmarkt. Es sei derzeit nicht abschätzbar, ob es 15.000 bis 20.000 oder mehr werden. Insgesamt haben bisher 1.797 Ukrainerinnen und Ukrainer eine Beschäftigungsbewilligung erhalten, davon entfielen 1.417 Bewilligungen auf Frauen und 380 auf Männer. Die meisten Beschäftigungsbewilligungen gab es in Oberösterreich (418) und Niederösterreich (363). "Besonders erfreulich ist, dass in den beiden Bundesländern mit den meisten offenen Stellen auch die meisten ukrainischen Beschäftigten tätig sind", so der Minister. Zudem sind derzeit 3.644 Vertriebene aus der Ukraine beim AMS vorgemerkt.

Bei der geplanten Reform der Arbeitslosenversicherung gibt es laut Kocher "sehr intensive" Gespräche mit dem grünen Koalitionspartner. Die Präsentation des Gesamtpakets soll wie anvisiert im zweiten Quartal erfolgen. "Die Gespräche stimmen mich optimistisch", so der Minister. Details wollte er nicht nennen. Die Arbeiterkammer forderte am Montag in einer Aussendung eine stärkere Einbindung bei den Reformüberlegungen zur Arbeitslosenversicherung. "Wir werden den Arbeitsminister beim Wort nehmen, der uns hier echte Einbindung versprochen hat - im Gegensatz zur überfallsartigen Änderung der Rot-Weiß-Rot Karte", so AK-Präsidentin Renate Anderl. Aufgrund der hohen Inflation drängten AK und ÖGB erneut auf eine Anhebung der Arbeitslosengeld-Nettoersatzrate von aktuell 55 auf 70 Prozent. "Arbeitslosigkeit darf nicht in Armut führen", sagte der leitende Sekretär des ÖGB, Willi Merny.

FPÖ-Sozialsprecherin Dagmar Belakowitsch forderte angesichts der hohen Zahl an offenen Stellen eine Facharbeiteroffensive. "Dass der Lehrberuf eine Chance für die Zukunft ist, muss endlich von der schwarz-grünen Regierung entsprechend kommuniziert und mit einem attraktiven Anreizsystem untermauert werden", so Belakowitsch. Der Arbeitskräftemangel sei "insbesondere für die bevorstehende Sommersaison ein Damoklesschwert, das es mit weitreichenden Arbeitsmarktreformen zu beseitigen" gelte, sagte Wirtschaftsbund-Generalsekretär Kurt Egger. Die Freiheitliche Wirtschaft fordert wegen des Fachkräftemangels einen bundesweiten Job-Gipfel mit Experten vom AMS, der IV, der Wirtschaftskammer, des Handelsverbandes, Unternehmens-Interessensvertretern, Lehrlingsausbildung sowie Bildungsressort und Bundesregierung.

(APA)

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