22.01.2015 17:56:30

Ökonomen besorgt über Folgen der EZB-Entscheidung

   Von Andreas Kißler

   BERLIN--Ökonomen führender deutscher Wirtschaftsforschungsinstitute haben unterschiedlich auf die Entscheidung der Europäischen Zentralbank (EZB) zum Kauf von Staatsanleihen reagiert. Während mehrere Institute heftige Kritik übten, zeigten andere aber auch Verständnis oder begrüßten den Schritt der Zentralbank.

   Mit deutlicher Kritik reagierten das Münchener ifo Institut für Wirtschaftsforschung und das Institut für Weltwirtschaft Kiel (IfW). "Das ist illegale und unsolide Staatsfinanzierung durch die Notenpresse", erklärte ifo-Präsident Hans-Werner Sinn. Wenn die EZB Papiere kaufe, würden die Staaten neue Papiere verkaufen "und somit von der Druckerpresse finanziert". Das sei nach Artikel 123 des EU-Vertrages eigentlich verboten und bedürfe der Klärung durch das deutsche Verfassungsgericht.

   Der Hauptgrund für die Beschlüsse sei nicht die Bekämpfung der Deflation, sondern die Rettung der Banken und Staaten der Krisenländer. "Die Käufe werden die Kurse der von den Banken gehaltenen Staatspapiere erhöhen und den Banken neues Eigenkapital verschaffen", erwartete Sinn. Zugleich würden sie die ohnehin niedrigen Zinsen auf Staatspapiere weiter senken und die Anreize zur Neuverschuldung insbesondere bei den Krisenstaaten vergrößern, und das verringere den Reformdruck.

   Die Ökonomen des IfW bewerteten den Schritt "als Verzweiflungstat zur Unterstützung der Krisenstaaten". Für eine dauerhafte Überwindung der Krise seien aber glaubwürdige Fiskalpläne, eine angemessene Strukturpolitik und eine vollständige europäische Bankenunion nötig, erklärte das Wirtschaftsforschungsinstitut.

   "Die EZB untergräbt damit die Anreize für eine nachhaltige Haushaltsdisziplin und Schuldenpolitik", kritisierte IfW-Präsident Dennis Snower. IfW-Konjunkturexperte Stefan Kooths bemängelte, die Staatsanleihekäufe führten "zu einer Vergemeinschaftung der nationalen Staatsschulden". Sie seien bei den aktuellen Rahmenbedingungen "geldpolitisch nicht geboten". Kooths sah in einem ultraexpansiven Kurs der EZB "ein monetäres Experiment mit ungewissem Ausgang".

   Mit mehr Verständnis reagierten die Ökonomen des Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH). Sie sahen die EZB-Staatsanleihekäufe langfristig zwar als sehr riskant, aber "angesichts der akuten Gefahren für die Preisstabilität vertretbar" an. Die Hallenser Forscher halten es für geboten, dass die Geldpolitik auf den Rückgang der Inflationserwartungen mit einer weiteren Lockerung reagiert, um eine mittelfristige Verletzung ihres Preisstabilitätsziels zu verhindern.

   Jedoch wird es nach ihrer Überzeugung so auch wahrscheinlicher, dass die öffentliche Verschuldung in einigen Euro-Ländern auf hohem Niveau weiter zunimmt und nicht mehr tragbar wird. "Es käme dann entweder zu einem Staatsbankrott oder zu einer Entwertung der öffentlichen Schulden durch eine höhere Inflation", warnte das IWH. "Mit anderen Worten: Die Geldpolitik könnte durch den Kauf von Staatsanleihen die Fähigkeit, Preisstabilität zu gewährleisten, mittelfristig verlieren."

   DIW-Präsident Marcel Fratzscher sah in dem Schritt "ein starkes und überzeugendes Signal, dass die EZB ihr Ziel der Preisstabilität entschieden verfolgen wird". Das Programm sei ein notwendiges Übel, um zur Beendigung der europäischen Krise beizutragen. "Wir müssen dieses Programm nicht mögen, aber wir sollten es unterstützen, um Europa wieder eine bessere Zukunftsperspektive zu geben", forderte Fratzscher.

   Die Notenbank halte sich wichtige Optionen offen, indem sie das Ankaufprogramm so lange fortführen wolle, bis der Inflationspfad wieder mit dem Ziel der Preisstabilität übereinstimme. "Die EZB sendet auch eine klare Botschaft an ihre deutschen Kritiker, indem sie betont, dass auch die Bundesbank zugestimmt hat, dass das Ankaufprogramm ein geldpolitisches Instrument ist und keine monetäre Staatsfinanzierung darstellt."

   Kontakt zum Autor: andreas.kissler@wsj.com

   DJG/ank/bam

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   January 22, 2015 11:25 ET (16:25 GMT)

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