12.03.2023 16:07:00
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Ökonom Badelt: Es geht darum wie der Wohlstandsverlust verteilt wird
Für Christoph Badelt, Chef des Fiskalrates, haben die Energiekrise, die Lieferketten-Probleme und der Krieg in der Ukraine zu einem Wohlstandsverlust in Österreich geführt. Es gehe nun darum wie dieser Verlust aufgeteilt wird. Wobei die starke Teuerung nicht automatisch die unteren Einkommensbezieher stärker treffe, aber eben anders. Bei den vielen Hilfen im Zuge der Krise sei jedenfalls mehr soziale Treffsicherheit erforderlich, sagte Badelt in der "ORF-Pressestunde".
Österreichs oberster Schuldenwächter ortet eine teilweise Überförderung bei Unternehmen - und Preiserhöhungen durch Firmen, die durch die Inflation nicht gerechtfertigt gewesen wären. Hier sei auch die Verwaltung gefordert, es sei beispielsweise nicht durch die Energiepreise gerechtfertigt die Parkgebühren zu erhöhen. Grundsätzlich halte er aber viel davon, den Verkehr aus Umweltschutzgründen zu verteuern, insbesondere in den Städten.
Dass in Österreich die Inflation höher ist als in anderen EU-Staaten erkläre sich auch aus der Zusammensetzung des Warenkorbes, aus dem der Verbraucherpreisindex (VPI) errechnet werde. Preisdeckel, wie ihn andere Länder eingeführt haben, würden zwar schnell wirken, es sei aber die Frage, wie "gescheit" das sei. Die Regierung sei jedenfalls nicht primär dazu da, die Inflation zu bekämpfen, sondern deren Auswirkungen - und hier sei viel geschehen.
Einen Preisdeckel bei Mieten lehnt Badelt nicht ab, wichtig sei ein "pragmatischer Kompromiss", der auch die Wohnungs- und Hauseigentümer berücksichtige. Die SPÖ-Idee eine zweiprozentigen Preisdeckels auf die Mieten sind für den bekannten Ökonom und obersten heimischen Schuldenwächter aber "sachlich nicht gerechtfertigt". Zu einer von der ÖVP vorgeschlagenen Streichung der Grunderwerbssteuer für das erste Eigenheim sagte Badelt: "Ich find es schön, wenn in einer Gemeinschaft mehr Eigentum da ist."
Überlegenswert wäre eine Änderung der Bindung der Richtwertmieten an den VPI, denn bei der jetzigen Lösung würden die Mieter die hohen Energiepreise gleich zweimal bezahlen. Sinnvoller wäre eine verstärkte Orientierung an den Bau- und Handwerkskosten.
Zum Arbeitskräftemangel hielt der Chef des Fiskalrates fest, dass es bei den hier lebenden Menschen drei Ansatzpunkte gibt: Eine höhere Frauenbeschäftigung, ein längeres Verbleiben im Erwerbsleben im Alter und die Höherqualifizierung von schlecht ausgebildeten Personen. Bei der Erwerbstätigkeit von Frauen sei die Kinderbetreuung ein großer Faktor. "Es ist beinahe lächerlich wie lange schon von der Verbesserung der Kinderbetreuung gesprochen wird", so Badelt.
Badelt plädierte heute in der "Pressestunde" auch für Vermögenszuwachssteuern, nicht aber für Steuern auf Bestandsvermögen. Wenn man den Faktor Arbeit entlasten will, dann stelle sich die Frage, woher anderes Geld kommen könnte. "Eine Vermögenszuwachssteuer halte ich gesellschaftspolitisch für sehr vernünftig", so Badelt. Das könnte man "noch ein Stück verstärken" - unter Berücksichtigung von Unternehmensübergaben.
Er denke aber auch an eine Änderung der Grundsteuer, sagte Badelt. Diese orientiert sich ja am - niedrigen - Einheitswert, hier könnte man "nachbessern". Für einen "Fehler" hält er die beschlossene Reduzierung der Körperschaftssteuer (KÖSt), die 2023 von 25 auf 24 Prozent und 2024 dann auf 23 Prozent gesenkt wird. "Wenn man die Unternehmen entlasten will, dann bitte doch bei den Lohnnebenkosten", sagte Badelt, der von einem "unseligen" europäischem Wettbewerb in Sachen KÖSt-Senkung sprach.
Zu den Pensionen merkte der Fiskalratschef an, am Ende des Tages müsse die steigende Lebenserwartung zu einem steigenden Pensionsantrittalter führen, dabei gehe es auch um das gesetzliche Antrittsalter, nicht nur um das faktische. Man müsste aber sozial ausgleichen, verwies er auf unterschiedliche Berufssparten, die etwa körperlich stärker belastet sind.
Zum Vorschlag von Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP), nur für jene die volle Berechtigung auf Sozialleistungen zu gewähren, die durchgehend fünf Jahre in Österreich leben, zeigte sich Badelt skeptisch. Man müsse "sehr, sehr aufpassen, dass man nicht in eine Stimmung komme, wo sich alles gegen Ausländer richtet". Er sei sich nicht ganz sicher, an welche Sozialleistungen Nehammer gedacht hat. "Wo das allenfalls abzielen könnte, wäre eventuell die Familienbeihilfe, oder der ganze Bereich der Sozialhilfe. Und da bin ich schon sehr, sehr skeptisch." Denn de facto würde das bei der Familienbeihilfe zu einer massiven Armutszunahme von Kindern führen, betonte er.
Und zur Sozialhilfe sagte Badelt, diese sei "das unterste Sicherheitsnetz, das wir haben". Diese sei dazu da, Menschen ökonomisch lebensfähig zu halten, die kein anderes Einkommen haben. "Und wenn Sie denen jetzt, weil sie Ausländer sind, die Hälfte wegnehmen für die ersten fünf Jahre, dann möchte ich gern wissen, wovon die dann leben werden." Damit schaffe man "massive soziale Probleme", sprach Badelt etwa den Gang in die Schwarzarbeit oder die Kriminalität an.
Zur von Nehammer neuerlich aufgestellten Forderung nach der regierungsintern gescheiterten Arbeitslosengeld-Reform, wonach man in der ersten Phase mehr Geld bekommen soll, dieses dann aber "deutlich" abgesenkt werden soll, sagte Badelt, dies halte er schon für vernünftig - insbesonders, wenn man mit höherem Arbeitslosengeld anfängt. Gleichzeitig wies er darauf hin, dass man beim "Runterfahren" des Arbeitslosengeldes dann in Höhen kommen würde, "dass sich Leute das Leben nicht mehr leisten können".
Sie SPÖ sah sich heute durch die Aussagen von Badelt bestätigt. "Badelt vernichtet die Budgetpolitik der Regierung, die zu mehr Ungleichheit führt und mit der der Großteil der Menschen in unserem Land nicht oder zu wenig entlastet wird", so SPÖ-Budgetsprecher Jan Krainer. Und er ergänzte: "Statt Geld weiter wirkungslos beim Fenster rauszuschmeißen, sollte die Regierung endlich wirklich die Teuerung bekämpfen und insgesamt für mehr Verteilungsgerechtigkeit sorgen."
Und auch die NEOS fühlen sich von Badelt bestätigt. "ÖVP und Grüne müssen rasch die Gießkanne einpacken und nur noch gezielt dort helfen, wo es wirklich nötig ist", so NEOS-Wirtschaftssprecher Gerald Loacker. Er bekräftigte: "ÖVP und Grüne müssen die Geldgeschenke einstellen und stattdessen die Weichen für eine Politik stellen, die auch die nächsten Generationen mitdenkt und den Faktor Arbeit nachhaltig entlastet."
Von Seiten der ÖVP sieht man sich ebenfalls durch den Ökonomen bestärkt. Badelt habe die Ziele von Bundeskanzler Nehammer gutgeheißen - "wie zum Beispiel beim Thema Wohnen: Es braucht Unterstützung für die Menschen in der Krise, das erreichen wir allerdings nicht über populistische Forderungen nach einem allgemeinen Mietpreisdeckel", so Generalsekretär Christian Stocker. "Auch die klaren Ansagen des Bundeskanzlers zu mehr Kinderbetreuungsplätzen und der Senkung von Steuern und Abgaben finden die Zustimmung des Experten", betonte Stocker.
stf/hac
WEB http://www.oevp.at http://www.spoe.at www.neos.eu
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