Konjunktureintrübung |
22.08.2023 22:47:00
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Oddo BHF-Investmentchef warnt vor zu großer Konjunkturzuversicht - "reinigendes Gewitter" könnte bevorstehen
• Baldige Kurskorrektur sei sehr wahrscheinlich
• Anleger sollten "reinigendes Gewitter" aber grundsätzlich begrüßen
Sinkende Inflationsraten, das bevorstehende Ende des Zinserhöhungszyklus, eine robustere Konjunkturentwicklung als befürchtet oder KI-Technologie als vermeintlicher Produktivitätstreiber - es gab einige Faktoren, die Anleger in den vergangenen Monaten dazu motivierten, nach dem Abverkauf von 2022 wieder beherzt bei Aktien zuzugreifen. Das Resultat ist eine andauernde Börsenhausse, deren Dauer und Intensität viele Beobachter überrascht. Dennoch warnen Experten regelmäßig die Anleger vor einer rosaroten Brille. Beispielsweise spricht der JPMorgan-Analyst Marko Kolanovic von schlechten Aussichten für Aktien, Bestseller-Autor Robert Kiyosaki sieht sogar Anzeichen eines Crashs. Auch Jan Viebig, Investmentchef der deutsch-französischen Privatbank Oddo BHF, gesellt sich zu der illustren Gruppe der Börsenbären.
Viebig: Weiterhin Konjunkturschwäche voraus
Viebig ist angesichts der globalen Konjunkturabkühlung äußerst skeptisch, ob die enormen Aktienkurszuwächse der vergangenen Woche auf einem soliden Fundament stehen. Eingangs seiner Analyse erinnert er an wichtige Erfolgsfaktoren für Investoren. "Die Finanzmärkte neigen dazu, oftmals irrational zwischen Angst und Gier zu schwanken. Für einen Investor ist es wichtig, beide Dimensionen im Blick zu behalten: die rationale, nüchterne Analyse der tatsächlichen ökonomischen Entwicklung und die Stimmung unter den Anlegern", betont Viebig im Interview mit "Institutional Money".
Im Anschluss macht Viebig darauf aufmerksam, dass die "tatsächliche ökonomische Entwicklung" noch von vielen Belastungsfaktoren getrübt werde. Er verweist unter anderem auf die inversen Zinsstrukturkurven und negativ ausgefallene Frühindikatoren, die besonders in Europa und China, aber auch in den USA auf eine konjunkturelle Abkühlung hinwiesen. So prognostiziert auch die Ratingagentur Fitch, die kürzlich die Bonitätseinstufung der USA von AAA auf AA+ herabstufte, dass die US-Wirtschaft im vierten Quartal 2023 und im ersten Quartal 2024 eine milde Rezession durchgehen werde. Das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts werde sich der Fitch-Prognose zufolge nach 1,2 Prozent im laufenden Jahr auf 0,5 Prozent im kommenden Jahr verringern.
Folgt bald eine Kurskorrektur?
Vor dem Hintergrund der Konjunkturflaute, die sich auf eine schwächere Gewinnentwicklung der börsennotierten Unternehmen niederschlagen werde, hält Viebig eine Korrektur an den internationalen Aktienmärkten für sehr wahrscheinlich. "Natürlich kann die derzeitige Phase des Überoptimismus lange anhalten. Das hat die Erfahrung gelehrt. Doch ein - emotionsloser - Blick auf die Fakten zeigt, dass die Aktienmärkte, insbesondere in den USA, aktuell hoch bewertet sind." Die hohe Bewertung bedeute folglich nicht zwingend, dass eine Korrektur sehr bald eintritt. Allerdings hält Viebig fest, dass das Potenzial von weiteren Kurssteigerungen äußerst begrenzt sei.
Darum ist Viebig dennoch langfristig bullish
Viebig hat aber auch gute Nachrichten für Anleger. So ist er weiterhin davon überzeugt, dass die langfristige Rendite von Aktien trotz aller Belastungsfaktoren weiterhin positiv bleibe. Die historische Statistik stütze seine Zuversicht. "Als langfristige Investoren erwarten wir, dass Aktien auf lange Sicht von mehreren Jahren typischerweise steigen. Seit 1969 gab es keine einzige Phase, in der Aktien gemessen am MSCI World-Index über eine Periode von 15 Jahren gefallen sind", unterstreicht Viebig. Deshalb sollten Anleger, die einen langen Atem mitbringen, einen bevorstehenden Aktienkursrückgang sogar eher begrüßen. "Ein reinigendes Gewitter an den Aktienmärkten könnte langfristigen Investoren wieder gute Einstiegschancen eröffnen", lautet Viebigs positive Botschaft.
Redaktion finanzen.at
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