1,8-Billionen-Finanzpaket |
03.08.2020 23:15:00
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Nutznießer und Benachteiligte: Diesen Unternehmen könnte das EU-Maßnahmenpaket nutzen
• Konzerne im Bereich der KI und Digitalisierung profitieren ebenfalls
• Rohstoff- und Öl-Aktien zählen zu den Verlierern
Die globale Corona-Pandemie hat die Staats- und Regierungschefs der 27 EU-Mitgliedsstaaten dazu veranlasst, die Wirtschaft der Europäischen Union mit einem 1,8 Billionen Euro schweren Konjunktur- und Investitionsprogramm zu stützen. Die Höhe des Haushalts- und Finanzpakets hat dabei eine Dimension erreicht, die selbst die Rettungspakete, welche in Folge der Finanzkrise verabschiedet wurden, weit in den Schatten stellt.
Eine historische Chance für Europa
Die milliardenschwere Finanzspritze soll nun vor allem dem EU-Binnenmarkt helfen, den historischen Wirtschaftseinbruch, welcher durch die Virus-Pandemie ausgelöst wurde, zu überstehen. Das Maßnahmenpaket der Mitgliedsstaaten unterteilt sich dabei in einen Betrag von 1.074 Milliarden Euro, die in den kommenden sieben Jahren den EU-Haushaltsrahmen ergänzen sollen und weiteren 750 Milliarden Euro, die unmittelbar für ein Investitions- und Konjunkturprogramm gegen die Folgen der Pandemie eingesetzt werden sollen.
"Wir haben jetzt die Chance, gemeinsam etwas Historisches für Europa zu erreichen. […] Wir haben jetzt eine massive und nie dagewesenen finanzielle Schlagkraft - 1,8 Billionen Euro. So können wir sicherstellen, dass NextGenerationEU den zweifachen Wandel - die grüne und die digitale Wende - vorantreibt. 30 Prozent von NextGenerationEU und des mehrjährigen Finanzrahmens werden für klimabezogene Projekte eingesetzt. NextGenerationEU kann zu einem der größten Treiber für Investitionen und Reformen weltweit werden - für Investitionen in den 5G-Ausbau, künstliche Intelligenz und Digitalisierung der Industrie, in erneuerbare Energien, in nachhaltigen Verkehr, in energieeffiziente Gebäude", so Ursula von der Leyen, die EU-Kommissionspräsidentin, am 23. Juli 2020 vor dem Europäischen Parlament in Bezug auf das verabschiedete Maßnahmenpaket.
NextGenerationEU - "die grüne und die digitale Wende"
Anhand der Rede der EU-Kommissionspräsidentin lässt sich schnell erkennen, welche Wirtschaftssektoren innerhalb der Europäischen Union zukünftig besonders gefördert werden sollen. Das Geld aus dem 750 Milliarden Euro schweren Wiederaufbaufonds für Europa, mit dem Namen "Next Generation EU", soll so vor allem dazu beitragen, den European Green Deal und die Digitalisierung innerhalb aller Mitgliedsstaaten voranzubringen.
Ursula von der Leyen sprach in diesen Zusammenhang von einem "zweifachen Wandel", welcher die gesamte Union zukünftig grüner und digitaler machen soll. Dementsprechend kann man nun davon ausgehen, dass ein großer Teil der 1,8 Billionen Euro schweren Hilfsspritze in die Umsetzung dieses Green Deals fließen wird.
Die Ziele des European Green Deal
Im Mittelpunkt des European Green Deal stehen vor allem die Themen Klimaschutz, Ökologie und Nachhaltigkeit. Dieser Deal soll der Europäische Union dabei helfen, bis zum Jahr 2050 eine globale Vorreiterrolle im Kampf um Klimaneutralität einzunehmen.
Der ambitionierte Plan der 27 Mitgliedsstaaten sieht dabei für bestimmte Wirtschaftssektoren weitreichende Veränderungen vor. Sofern ganz Europa bis zum Jahr 2050 klimaneutral werden möchte, bedeutet dies nämlich eine grundlegende Umgestaltung der Energieversorgung, Landwirtschaft, Industrie, des Baugewerbes und des Verkehrswesens. In diesem Zusammenhang plant die EU auch niedrigere CO2-Grenzwerte und eine höhere Besteuerung von fossilen Energieträgern, wie z.B. Kohle, Erdgas und Erdöl.
Profiteure der grünen Wende
Anleger, die nun ein zukunftsträchtiges Portfolio aufbauen möchten, sollten sich jetzt also vor allem auf "grüne" bzw. nachhaltige Unternehmen innerhalb Europas spezialisieren. Da zukünftig gerade diese Konzerne in die Gunst der Politik kommen dürften. Ein regelrechter Klassiker in diesem Segment sind Firmen, die sich schon jetzt komplett auf die Erzeugung von nachhaltigem Strom, wie z.B. durch Photovoltaik-, Windkraft- und Wasserkraftanlagen, konzentrieren. Hierzu zählen Konzerne wie Verbund aus Österreich oder ENCAVIS und 7C Solarparken aus Deutschland.
Dabei bieten jedoch nicht nur die Aktien der Betreiber von Wind- und Solarparks viel Potenzial, sondern auch die der Hersteller von Windturbinen und Solarpanels. In diesem Segment könnte sich beispielsweise ein Blick auf die Aktien von Nordex, Vestas, SMA Solar und Siemens Gamesa lohnen.
Des Weiteren dürften zukünftig auch diverse Unternehmen aus der Abfall- und Recyclingwirtschaft interessant werden. Investoren können in diesem Zusammenhang beispielsweise die Anteilsscheine von Veolia, Umicore und Tomra Systems unter die Lupe nehmen.
Neben dem Sektor der erneuerbaren Energien werden jedoch noch andere Branchen vom European Green Deal profitieren. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist es jedoch noch nicht klar absehbar, welcher europäische Immobilienkonzern bzw. Automobilhersteller eine Vorreiterrolle im Bereich des energieeffizienten Bauens bzw. des nachhaltigen und klimaneutralen Verkehrs einnehmen wird. Grundsätzlich kann man jedoch davon ausgehen, dass sich die Aktienkurse von Firmen, die als sogenannte Klimasünder gelten, also Konzerne mit einem hohen CO2-Ausstoß, schlechter entwickeln werden, als die Kurse von Unternehmen mit einer ausgeglichenen Klimabilanz.
Profiteure der digitalen Wende
Neben der Klimaneutralität liegt der Fokus der EU-Kommission nun auch auf einer zunehmenden Digitalisierung der Mitgliedsstaaten, was mit dem flächendeckenden Ausbau eines 5G-Netzes einhergeht, sowie der Förderung von Projekten im Bereich der künstlichen Intelligenz.
Während man mit Unternehmen wie Vodafone, Telefonica und Telekom einige starke europäische Gesellschaften im Bereich der 5G-Technologie findet, wird es im Sektor der künstlichen Intelligenz innerhalb Europas schon etwas schwieriger. Dieser Bereich wird zum gegenwärtigen Zeitpunkt nämlich fast ausschließlich von US-amerikanischen Konzernen wie IBM, Apple, Alphabet, NVIDIA, Microsoft und Zebra dominiert. Mit Unternehmen wie beispielsweise SAP, Infineon und AIXTRON gibt es jedoch immerhin ein paar größere Konzerne aus Deutschland, die an diesem Trend partizipieren können. Folglich ist es gut denkbar, dass ein Teil des Geldes aus dem EU-Maßnahmenpaket gezielt in die Förderung von Startups aus diesem Bereich fließen wird.
Die Verlierer der grünen Wende
Während in den kommenden Jahren vor allem umweltfreundliche und nachhaltige Aktien im Fokus der Anleger stehen werden, dürften eher klimaschädliche Konzerne stark an Popularität verlieren. Zu den größten Verlieren zählen folglich alle Betriebe, deren Geschäft schon von Natur aus mit einer hohen Beeinträchtigung der Umwelt einhergeht. Allen voran zählen somit Energieversorger und Rohstoffgesellschaften, die vorrangig auf fossile Brennstoffe setzen, zu den größten Verlieren.
Dementsprechend dürften Konzerne wie BP, Shell, TOTAL und BHP Group zu den Verlieren des European Green Deal gezählt werden. Darüber hinaus zählt auch die gesamte Schiff- und Luftfahrtbranche innerhalb Europas nicht gerade zu den Nutznießern einer grünen Welle. Die Aktien von großen Reedereien wie Frontline und Maersk sowie von großen Fluggesellschaften wie Ryanair, Lufthansa und Air France-KLM stehen somit ebenfalls auf der Verliererliste.
Chance für Neuausrichtung
Innovative Ideen und neue Technologien könnten jedoch dafür sorgen, dass ein Teil der heutigen Klimasünder bald ebenfalls zu den Gewinnern des European Green Deal zählen dürfen. So könnte beispielsweise der Einsatz von Erdgas oder Wasserstoff dazu beitragen, dass die Schiff- und Luftfahrtbranche schnell ihr schlechtes Image verliert. Darüber hinaus hat der britisch-niederländische Öl-Gigant Shell zusammen mit TOTAL und dem norwegischen Konzern Equnior unlängst ein Kohlenstoffabscheidungsverfahren entwickelt, welches eine fast CO2-neutrale Ölproduktion ermöglicht.
Auch wenn viele derartige Projekte gegenwärtig noch ganz am Anfang stehen, zeigen sie eindeutig, dass die Themen Klima- und Umweltschutz nun auch in den Chefetagen der größten europäischen Konzerne angekommen sind und somit nicht mehr nur in der Politik eine große Rolle spielen.
Pierre Bonnet / finanzen.at
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