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Euro am Sonntag-Meinung 09.10.2016 07:30:01

Notenbanken: Vom Helikoptergeld zur Zinserhöhung

von Christian Nemeth, Gastautor für Euro am Sonntag

Die Politik der wichtigen Notenbanken, die mit ihrem Niedrigzinskurs maßgeblich den Verlauf der vergangenen Wirtschaftskrisen bestimmt haben, scheint derzeit an einem Wendepunkt angekommen. Denn während die Aktionen der Fed auch langsam Wirkung zeigen und hier eine Normalisierung der Politik ansteht, scheinen die bisherigen geldpolitischen Maßnahmen in Japan an ihre Grenzen zu stoßen.


Die USA sind 2007 als erstes westliches Land in einen Negativzyklus geschlittert. Damals kollabierte der amerikanische Hypothekenmarkt und löste die weltweite Bankenkrise aus. Zeitlich betrachtet war die Entwicklung in Amerika im Vergleich zur Lage in Europa immer voraus, folgerichtig sind die Ame­rikaner nun auch die ersten, die diesen Zyklus wieder verlassen. Wir sehen in den USA derzeit sehr gute Fundamen­taldaten, beispielsweise vom Arbeitsmarkt, wo kürzlich die Nairu ("Inflationsneutrale Arbeitslosenquote") wieder erreicht wurde, sowie eine solide Inflation, steigende Haushaltseinkommen und robuste Konsumkonjunktur. Diese Faktoren würden eine baldige Zinserhöhung der Fed durchaus rechtfertigen. Eine fällige weitere Erhöhung hat sich bereits wegen der China-Krise Anfang des Jahres und des Brexit-Votums stark nach hinten verschoben.

Die Fed kennt die Risiken einer zu frühen Zinserhöhung

Nun baut sich aber wieder ein starker Druck seitens der Fed auf, insbesondere rhetorisch werden die Märkte auf eine baldige Zinserhöhung vorbereitet. Wir rechnen dennoch damit, dass die Erhöhung erst im Dezember dieses Jahres kommen wird. Zum einen scheinen die Märkte aktuell noch nicht genug vorbereitet. Zum anderen weiß die Fed, dass die Risiken einer zu frühen Zinserhöhung größer sind, als wenn diese Er­höhung zu spät erfolgt. Trotz dieser Verzögerung bleiben die Aussichten in den USA aber insgesamt positiv.

Großbritannien war in seinem Wirtschaftszyklus lange Zeit nur kurz hinter dem der USA und ebenfalls auf dem besten Weg, den Negativzyklus wieder zu verlassen. Das Brexit-Votum hat die Briten nun aber nach hinten geworfen. Viele Stimmungsindikatoren sind dort deutlich gesunken, und derzeit deutet vieles auf eine technische Rezession im Winterhalbjahr 2016 hin. Ob sich daraus eine tiefere Krise entwickelt, wird maßgeblich vom Konsumverhalten in Großbritannien abhängen.

Wir erwarten nicht, dass die Realwirtschaft in Großbritannien komplett einbrechen wird. Die Bank of England hat die Lage nach dem Votum richtig eingeschätzt und ist wieder in den Krisenmodus gewechselt. Sie hat den Leitzins auf 0,25 Prozent gesenkt und damit noch Spielraum nach unten. Aktuell gehen wir, im Gegensatz zur Mehrheit der Marktteilnehmer, davon aus, dass der Zinssatz bis Jahresende noch in Richtung null Prozent herabgesetzt wird. ­Zudem hat die Bank of England eine massive Ausweitung des Geldankaufprogramms angekündigt.


Ob die geldpolitischen Maßnahmen allein die britische Wirtschaft ankurbeln können, oder ob dafür auch ein begleitendes Konjunkturpaket der Regierung notwendig sein wird, bleibt vorerst abzuwarten. Sowohl Geldpolitik als auch Fiskalpolitik sind sich aber der schwierigen Lage bewusst und haben noch weitere Möglichkeiten einzugreifen. Dadurch sollten schlimmere Folgen für die Briten ausbleiben, eine Normalisierung der Geldpolitik ist hier jedoch trotzdem in weite Ferne gerückt.

Kontinentaleuropa ist von seinem Wirtschaftszyklus her noch nicht so weit wie die Amerikaner. Die Europäer waren lange in der eigenen Staatsschuldenkrise verhaftet und kommen daher erst langsam aus der Krise. Auch einige Banken scheinen hier nicht gefestigt. Insbesondere die dringend notwendige Sanierung des italienischen Banken­sektors könnte sich noch als kritisch für die Eurozone herausstellen. Des Weiteren wird der Brexit in Kontinentaleuropa spürbar negative Folgen haben, wenn auch weit geringere als für Großbritannien. Vieles wird davon abhängen, wie schnell der Brexit Realität wird und zu welchen Bedingungen er erfolgt.

Geldpolitisch besteht hier also durchaus noch Handlungsbedarf. Zentral ist das Mitte März 2017 ablaufende Anleihekaufprogramm der EZB, welches verlängert und angepasst werden sollte. Die EZB erwirbt bislang Staatsanleihen gemäß dem Grundkapitalanteil der Mitgliedsländer und nur solche, die oberhalb des Einlagensatzes bei der EZB rentieren. Dabei achtet sie darauf, dass sie nicht mehr als 33 Prozent einer Emission oder eines Emittenten erwirbt. Hielte sie daran fest, dürfte es 2017 zu Engpässen beim verfügbaren Anleiheangebot kommen. Änderungen, ins­besondere die Abweichung vom Kapitalanteil, sind allerdings ordnungspolitisch heikel, weil sich das Argument der versteckten Staatsfinanzierung immer weniger von der Hand weisen lässt. Neuerungen beim Ankaufprogramm sind bis Ende 2016 wahrscheinlich.

Die Leitzinsen in Japan bewegen sich, abgesehen vom Versuch einer Erhöhung 2007 und 2008, schon seit dem Jahr 2000 um den Nullpunkt. Das Land ist mit billigem Geld geflutet, aber die klassischen geldpolitischen Maßnahmen greifen nicht mehr, auch weil der Yen bisher weitgehend stabil geblieben ist. Die deflationären Kräfte konnten trotz Stimulierungsmaßnahmen bisher kaum durchbrochen werden, weshalb immer mehr Stimmen laut werden, die betonen, dass die Geldpolitik an ihre Grenzen gestoßen ist. Hier müsse nun die Fiskalpolitik einspringen.

Japans Notenbank könnte zum Mittel Helikoptergeld greifen

Durchgespielt werden verschiedene ­Varianten des sogenannten Helikoptergelds. So könnten die Währungshüter beispielsweise am Primärmarkt Staatsanleihen kaufen, die zur ­Finanzierung von zusätzlichen Staatsausgaben oder Steuersenkungen vom Staat ausgegeben werden. Im strengen Sinn muss der Staat dabei ewig laufende zinslose Anleihen ausgeben. Da er keine Zinskosten trägt und keine Rückzahlungen tätigen muss, handelt es sich dabei nur noch um Pro-forma-Verbindlichkeiten.

Auch wenn die heutige Politik effektiv schon nahe an dieses Konzept herankommt, gibt es zwei wichtige Unterschiede. Erstens ist die Regierung trotz des neuen Fiskalpakets immer noch der mittelfristigen Sanierung des Staatshaushalts verpflichtet. Zweitens beabsichtigt die Zentralbank, Wertpapierkäufe nur bis zur Erreichung des Inflationsziels von zwei Prozent zu tätigen.

Wir rechnen in nächster Zukunft ­dennoch nicht mit der Einführung von Helikoptergeld im engeren Sinn, da die damit einhergehenden Risiken kaum abschätzbar sind. Japan ist auf diesem Weg sicherlich am weitesten fortgeschritten, und die Einführung weiterer Elemente von Helikoptergeld scheinen hier eine reale Option zu sein.

Kurzvita

Christian Nemeth
Vorstandsmitglied der Zürcher Kantonalbank Österreich
Der studierte Betriebswirt Nemeth ist Leiter des Asset Managements und Vorstandsmitglied der Zürcher Kantonalbank Österreich und war zuvor bei renommierten inter­nationalen Investmenthäusern beschäftigt. Die stark wachsende Privatbank ist auf die persönliche Betreuung von vermögenden ­Privatpersonen und ­Privatstiftungen in ­Österreich und Deutschland spezialisiert.

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