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Windkraftbranche 01.06.2013 13:00:01

Nordex oder Vestas: Kräftig an der Schraube drehen

von Stephan Bauer, Euro am Sonntag

Viel Gegenwind muss Jürgen Zeschky nicht fürchten, wenn er am morgigen Dienstag im Rostocker Hotel Radisson spricht. Drei- bis vierhundert Aktionäre werden zur Hauptversammlung der Nordex erwartet. Der Chef des Windkraftanlagenbauers hat die Leiden der Anteilseigner in den vergangenen Monaten erst mal beendet: Der Kurs hat sich seit Jahresanfang fast verdoppelt. Eine beachtliche Wende, zuvor befand sich das Papier fast vier Jahre im Tiefflug.

Es ist keine Wachstumsgeschichte mehr, die den einstigen Überflieger des TecDAX treibt. Im Gegenteil. Zeschky baut Nordex gerade vom ehrgeizigen Windkraftkonzern zum Mittelständler um. Erst im September hatte er die neue Marschrichtung ausgegeben. Seitdem wird ein deutlich kleineres Rad gedreht, die internationale Expansion stufenweise zurückgeschraubt. Aus China etwa haben sich die Norddeutschen weitgehend zurückgezogen. Auch das mit hohem finanziellen Aufwand aufgebaute Geschäft mit Windturbinen für den Einsatz auf See, also offshore, wurde aufgegeben.

„Wir können nicht überall die Besten sein“, predigt Zeschky, der die Hamburger seit Ende 2011 führt, Bescheidenheit. Viele Jahre wuchs Nordex mit Raten von 50 Prozent pro Jahr und mehr. Personal wurde auf Vorrat eingestellt, um die Expansion stemmen zu können. Jetzt läuft es in die andere Richtung: Zeschky achtet auf eine schlanke Linie. Der Chef fuhr die Kostenbasis um 50 Millionen Euro pro Jahr herunter.

Neue Bescheidenheit
Was als Zeichen von Schwäche interpretiert werden könnte, ist das Gegenteil. Gerade wegen des Abbaus im internationalen Vertrieb gehören die Hamburger derzeit zu den Gewinnern der Branche. Die Absatzpreise stabilisierten sich, zogen im ersten Quartal sogar leicht an. Um ein Haar hätten die Hamburger wieder Vorsteuergewinne geschrieben.

Nach den fast 100 Millionen Euro Verlust 2012 wollen die Nordlichter wieder ein ausgeglichenes Ergebnis erreichen. „Wir sind recht optimistisch, dass wir 2013 schwarze Zahlen schreiben“, sagt Finanzchef Bernard Schäferbarthold.

Nordex konzentriert sich jetzt auf das Geschäft an Land. Auf dem Heimatmarkt ist das derzeit die richtige Strategie: Viele Offshoreprojekte schaffen es nicht vom Reißbrett ins Wasser. Inzwischen sind zwar nennenswerte Anbindungskapazitäten ans Stromnetz auf dem Festland fertiggestellt, doch technische Hürden, langwierige Genehmigungsverfahren sowie Finanzierungsprobleme verhindern die Umsetzung vieler Windparks vor den Küsten.

Frische Brise an Land
In Deutschland, einst die Offshorehoffnung der Industrie und immer noch der weltweit drittgrößte Markt für Windturbinen, findet das Geschäft auf dem Trockenen statt. 3200 Megawatt an neuer Windkraftleistung sollen laut Schätzungen des Maschinenbauverbands VDMA 2013 hierzulande entstehen — eine Kapazität, die in etwa drei Kernkraftwerken entspricht. Nur 400 Megawatt davon entfallen demnach auf den Offshorebereich.

Die Flaute, die vor allem Großprojekte betrifft, spüren die Branchenriesen besonders stark. Der US-Mischkonzern General Electric, weltweite Nummer 1 der Windbranche, hat soeben seinen Europa-Chef für regenerative Energien geschasst. Die Amerikaner hatten zuletzt große Probleme mit ihrem Windgeschäft in Deutschland.

Auch bei Siemens, dem Offshoreweltmarktführer, läuft es nicht rund. Zuletzt konnte die Sparte ihren Umsatz zumindest fast stabilisieren. Wegen Verzögerungen bei vier Netzanbindungsprojekten musste der Konzern indes Belastungen im Milliardenbereich verarbeiten.

Die Zentrale von Vestas im dänischen Randers liegt gerade mal drei Autostunden vom Nordex-Sitz in Hamburg-Langenhorn entfernt. Ein kleineres Rad zu drehen, das ist auch beim ehemaligen Branchenprimus das große Thema. Mit dem Unterschied, dass die Anpassung an das harte Marktumfeld bei den Dänen gleich mehrere Windstärken heftiger ausfällt.

Auch Vestas-Chef Ditlev Engel fährt seit vergangenem Jahr auf Sparkurs. Engel hat die Zahl der Beschäftigten von knapp 23 000 auf gut 17 000 verringert. Bis Ende des Jahres sollen abermals mehr als 1000 Jobs abgebaut werden. Die Kosten will der Manager auf diesem Weg um 400 Millionen Euro pro Jahr senken.

Der nach Umsatz siebenfach größere Konzern muss um den für 2013 geplanten Turnaround jedoch zittern. Schon jetzt ist klar, dass die Gewinnzone nur mit den Sparanstrengungen erreicht werden kann — aus dem operativen Geschäft kommen wenig Impulse. Von Januar bis März brach das Ordervolumen gegenüber dem Vorjahr um die Hälfte ein.

Vestas ist als globaler Riese den heftigen Turbulenzen auf dem Weltmarkt ausgesetzt. Vom Geschäft in China etwa haben sich die Skandinavier einiges versprochen. Der inzwischen weltweit größte Markt für Windturbinen glänzte jahrelang mit zweistelligen Zuwachsraten. Doch das Terrain ist zugleich eines der schwierigsten weltweit.

China hat die Windkraft zur Schlüsselindustrie erklärt und fördert die Platzhirsche Sinovel oder Goldwind, die zu den größten Windanlagenbauern auf dem Globus zählen. Diese bieten ihre Turbinen zu Dumpingpreisen an. Insbesondere Großaufträge sind für ausländische Anbieter fast unerreichbar.

Nordex beschränkt sich inzwischen darauf, Komponenten preisgünstig in China einzukaufen. Seine Produkte vertreibt das Unternehmen in anderen asiatischen Märkten. Vestas fertigt noch in China.

Schiefergas verdirbt US-Geschäft
Auch in den USA hat das Wachstum nach dem Boom 2012 stark nachgelassen. Das Hin und Her um die Verlängerung der Windkraftförderung verhinderte viele neue Windprojekte. Erst 2014 rechnen Experten wieder mit neuem Aufwind. Überdies leidet die Branche an der Schiefergaskrankheit: Die Strompreise sind wegen des billigen Energieträgers gefallen. Das macht Windparkbetreibern das Leben schwer.

Für die Dänen, die bislang ein starkes US-Geschäft hatten, sind das alles andere als gute Nachrichten. Der Umsatz dürfte auch deshalb im laufenden Jahr von 7,2 auf 5,5 Milliarden Euro sinken. Während der Weltmarkt 2013 erstmals seit 2010 wieder schrumpfen soll, stehen Firmen mit starkem europäischem Geschäft gut da. Laut Schätzungen des Branchenverbands GWEC geht es trotz Eurokrise hier auch im laufenden Jahr aufwärts. Das gilt auch für Entwickler von Projekten wie PNE Wind. Die Cuxhavener bauen ihr Europa-Geschäft im Bereich Onshore aus.

Eine Anleiheemission über geplante 100 Millionen Euro stieß Anfang Mai indes nur auf verhaltenes Interesse. Womöglich hatten die Insolvenzgerüchte um die Windreich AG Investoren verunsichert. PNE ist — wie Windreich — auch im Offshoreprojektgeschäft aktiv. Im Gegensatz zur wankenden Firma aus Schwaben aber entwickeln die Schleswig-Holsteiner ihre Parks lediglich bis zur sogenannten Projektrechtsreife.

Wegbereiter für Offshoreparks
PNE kümmert sich um alle Voraussetzungen wie umweltrechtliche Genehmigungen und Netzanbindungszusagen. Anschließend wird das Projektrecht verkauft. So wie jüngst beim Nordseepark Godewind, der an den dänischen Versorger Dong Energy ging.

Mit dem Bau der Windräder hat PNE nichts zu tun. Die enormen finanziellen Risiken für eventuelle Verzögerungen tragen — anders als bei Windreich — die Kunden. Für Godewind erhält PNE rund 160 Millionen Euro, die Gewinnmarge ist deutlich zweistellig, schätzt Analyst Christoph Rodler von M. M. Warburg.

Weitere drei Parks sind in der Pipeline. Mittelzuflüsse aus diesen Projekten könnten laut Rodler womöglich erst 2017 fließen. Doch dank solidem Geschäftsmodell lässt sich das Geduldsspiel auf hoher See ganz gut ertragen.

Stürmische Zeiten 2013 wird die weltweit installierte Windkraftkapazität dem Weltverband Global Wind Energy Council zufolge um elf Prozent sinken. Das liegt am Einbruch in den USA, wo es Unsicherheiten um die Zukunft der Förderung gab. Die Preise stehen unter Druck. Nur 2010 war das Neugeschäft nach dem starken Boom der Jahre 2007 bis 2009 leicht gesunken.

Investor-Info

Regionalmärkte
China dominiert
Das Neugeschäft in den USA zog 2012 fast mit dem in China gleich. Der weltgrößte Windkraftmarkt kommt kumuliert auf 27 Prozent globalen Anteil (USA: 21 Prozent). Deutschland war 2012 kumuliert nach Neugeschäft die Nummer 3.

Nordex
Turnaround in Reichweite
Der Umsatz kletterte im ersten Quartal um rund ein Drittel, die Norddeutschen erreichten fast die Gewinnschwelle. Der Auftragseingang stieg immerhin um fünf Prozent. Im Gesamtjahr peilt Chef Jürgen Zeschky die Gewinnschwelle an. Derzeit sehe alles gut aus, heißt es in Hamburg. Die Aktie ist zwar nach Kennzahlen hoch bewertet, dennoch trauen wir dem Papier noch Potenzial zu.

PNE Wind
Gewinnturbo Offshore
Mit der Mehrheitsübernahme an der WKN stärkt das Unternehmen das solide Kerngeschäft Onshore in Europa. Aus dem Deal mit Dong stehen noch rund 75 Millionen Euro aus. Drei weitere Offshoreprojekte in der Pipeline. Attraktive Dividendenrendite.

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