Wifo-Institut 05.02.2013 09:02:00

Aiginger: Griechenlands Wirtschaft noch nicht über dem Berg

"Die von der griechischen Zentralbank im Jänner angedeutete Möglichkeit, Griechenland habe die schwersten Rückschläge schon hinter sich, kann ohne einen Kurswechsel in der Konsolidierungspolitik und ohne stärkere Investitionshilfen und Direktinvestitionen in Griechenland nicht nachvollzogen werden", so Wifo-Chef Karl Aiginger in einem aktuellen Arbeitspapier zu den europäischen Peripherieländern.

"Ich glaube, das Schlimmste ist vorüber. Wir können optimistischer sein", hatte Ende Jänner wie berichtet der griechische Nationalbankchef Giorgos Provopoulos gesagt.

Eine Trendwende ohne Strategiewechsel und Hilfe durch europäische Partner hält Aiginger nicht für möglich. Griechenland müsste selbst verstärkt aktiv werden und konkurrenzfähige Sektoren in der Industrie und im Dienstleistungsbereich ausbauen, die Tourismussaison verlängern und die Angebote mit Gesundheitsleistungen verbinden, schlägt der Wifo-Chef vor.

Weiters müssten die administrativen Strukturen geändert und die Steuereinhebung reformiert werden. Jugend und Frauen müssten in Verwaltung, Politik und Wirtschaft und vor allem im Reformprozess eine stärkere Rolle einnehmen.

"Kern einer Wachstumsstrategie muss sein, Neugründungen zu forcieren, Direktinvestitionen attraktiv zu machen (etwa durch Schaffung von Industriezonen in der Nähe der Häfen), Industriecluster zu bilden (etwa im Pharmabereich) oder Wind- und Solartechnologie vorrangig zu nutzen", so Aiginger.

Österreich könnte neben administrativer Hilfe und Beratung auch in Sparten mit Facharbeitermangel temporär Arbeitskräfte aus Griechenland einsetzen, so Aiginger weiter. Angesichts der hohen Arbeitslosigkeit in Griechenland sei das kein Entzug von Qualifizierten ("Brain Drain"). Die Rückkehr nach drei bis fünf Jahren könnte mit einer Initiative zur Betriebsgründung - eventuell mit einem österreichischen Partner - in Griechenland kombiniert werden, sodass dort die Beschäftigung steigt und österreichische Exporte ausgelöst werden. "Dies wäre eine Win-Win-Situation für Österreich und Griechenland", meint der Wifo-Chef.

Die EU müsse den Mittelzufluss aus gegebenen Töpfen beschleunigen und in der neuen Budgetperiode die Mittel stärker auf periphere Regionen konzentrieren, Kapitalexport zur Steuervermeidung müsse eingeschränkt werden.

"Es ist ineffizient, finanzielle Unterstützung über Kredite und Haftungen von Staatsanleihen zu geben und gleichzeitig die notwendige aktive Komponente der Reformen dadurch zu verhindern, dass Strukturmittel nicht ausgeschöpft werden oder der Kreditvergabeprozess der Europäischen Investitionsbank für Südeuropa zu langsam funktioniert", kritisiert Aiginger. Die Ausschöpfung der teils nicht zugeordneten und teils nicht abgerufenen EU-Budgetmittel sei schon 2013 zur Gestaltung einer notwendigen Wachstumskomponente in Griechenland wichtig.

ggr/ivn

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