14.09.2014 20:57:59
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Neue Westfälische (Bielefeld): Landtagswahlen in Thüringen und Brandenburg¶ Richtungsentscheidungen¶ THOMAS SEIM
Bielefeld (ots) - Nun also ist die Partei AfD auch in zwei weitere
Landtage eingezogen. Der Trend - jedenfalls der in den Prozentzahlen
in den östlichen Bundesländern - setzt sich fort. Für die jeweils
regierenden Koalitionen reicht es knapp oder schon nicht mehr für die
Fortsetzung des jeweiligen Bündnisses. Für die CDU ist der
Wahlausgang - jedenfalls auf den ersten Blick - problematischer. Auch
wenn die AfD aus allen politischen Lagern Wähler aufsaugt: Zum ersten
Mal entsteht auf der rechten Seite der alten Kohl-Volkspartei eine
ernste Konkurrenz für die Union. Man mag die AfD-Ergebnisse als
ängstliche Reaktion der Wähler auf die rasanten Veränderungen, die
Krisen, die gefühlte Bedrohung durch Zuwanderer für übertrieben
halten - Tatsache ist: Es gibt diese Ängste. Eine relevante Menge von
Wählern mit dieser Furcht flüchtet sich in zweifelhafte
Politik-Angebote der AfD, wie sie in dem Plan für die Drei-Kind-Ehe,
einer angestrebten Volksabstimmung zur Abtreibung sowie verschärften
Regeln für Ausländer aufblitzen. Die Frage, wie man eine Politik der
großen Koalition mit einer Kanzlerin Merkel an der Spitze so
verwirklicht, dass die Union als Volkspartei nicht ihren rechten
Flügel an die AfD verliert, wird der CDU einiges Kopfzerbrechen
bereiten. Aus diesem Unions-Dilemma vermag die SPD allerdings derzeit
keine Zuversicht im Blick auf eigene Mehrheitsfähigkeit abzuleiten.
Zwar ist sie in Brandenburg weiter bestimmende Kraft. Aber das
Ergebnis in Thüringen ist ein Desaster für eine Volkspartei. Es
gründet vor allem in einem Wahlkampf, der darauf setzte, mit Grillen
und Trinken statt Politik auf Bürgerfesten den eigenen politischen
Job zu sichern. Aber selbst wenn man in Rechnung stellt, dass dieses
schlechte Abschneiden einer konzeptlosen thüringischen Landespartei
anzulasten ist, wird dies die Bundespartei nicht unbeteiligt lassen
können. Die SPD, die von Sigmar Gabriel erfolgreich in eine große
Koalition im Bund geführt worden ist, verharrt auf Bundesebene in der
Mitte der 20er-Prozentzahlen. Wenn sie zu einer Mehrheitspartei
aufsteigen will, die den Kanzler stellen kann, dann muss er auch in
solchen Ländern Führung zeigen, die aus eigener Kraft nicht auf die
Erfolgsstraße kommen. Übrigens wäre dies ganz in Gabriels Interesse:
Wenn er spätestens 2017 als Kanzlerkandidat antreten will, muss die
Basis dazu mit seiner Hilfe und seiner Führung in den Ländern gelegt
werden. Die FDP ist nach dem neuerlichen Debakel vermutlich wohl
Geschichte. Die Grünen ihrerseits stabilisieren sich zwar in den
Landtagen der neuen Länder. Sie verharren aber dort derzeit insgesamt
auf sehr niedrigem Niveau, was ihre Funktion als Mehrheitsbeschaffer
sowohl für Schwarz- als auch für Rot-Grüne stark relativiert. Die
Linkspartei dagegen hat sich im Osten klar als linke, aber breite
basisdemokratische Partei etabliert. Sie hat samt ihren
Spitzenkandidaten in Wahrheit nichts zu tun mit den Sektierern der
Partei im Westen. Falls es dieses Mal noch nicht für das
Ministerpräsdientenamt reichen sollte: Lange wird man die Linke dort
nicht mehr von politischer Verantwortung ausschließen können, wenn
Wahlen glaubwürdig bleiben sollen. Was kommt also nun? In Brandenburg
geht es um die Frage, ob es Rot-Schwarz oder Rot-Rot wird. In
Thüringen spricht vieles für die Fortsetzung der großen Koalition.
Für Rot-Rot-Grün mit einem ersten Ministerpräsidenten der Linkspartei
ist die Stimmenzahl extrem knapp. So oder so geht es in den beiden
neuen Bundesländern um Richtungsentscheidungen. So oder so: Man ist
gespannt.
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