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27.09.2013 21:44:58

Neue Westfälische (Bielefeld): KOMMENTAR Steinbrück kündigt Rückzug an Menschlicher Zug CARSTEN HEIL

Bielefeld (ots) - Peer Steinbrück - nein - wirft nicht die Brocken hin. Der 66-Jährige kündigt an, seine gelungene politische Karriere geordnet zu beenden. Das ist das gute Recht eines letztlich gescheiterten Kanzlerkandidaten im Rentenalter. Denn die mickerigen zwei Prozent mehr für die SPD im Vergleich zur desaströsen Bundestagswahl von 2009 sind kein Ruhmesblatt für ihn. Schon in den letzten Wochen des Wahlkampfes wirkte Steinbrück zu entspannt, um glaubwürdig vertreten zu können, dass er auch nach einer unglücklich verlaufenen Kandidatur weiterkämpfen würde. Und er hat immer betont, dass er nicht in ein Kabinett Merkel eintreten würde. Endlich bleibt er sich wieder treu. Peer Steinbrück begibt sich mit dieser klaren Entscheidung auf den Weg zurück zu sich selbst. Es reichte. Er, der sich im Dienst für seine Partei in Wahrheit während des Wahlkampfes verbogen und aufgerieben hat bis zur Unkenntlichkeit, sehnt sich nach sich selbst. Das Verleugnen seiner Persönlichkeit - was Politik dem Menschen in schweren Zeiten abverlangt - war schließlich sein Problem im Rennen um das Kanzleramt. Aber: vorbei, Vergangenheit. Steinbrück zeigt in diesem Zurückfinden zu sich selbst nicht Größe, sondern Einsicht. Er klammert sich nicht mehr an irgendwelche Hoffnungen, hält sich keine Hintertürchen offen. Ein belesener, gebildeter, analytischer und gleichzeitig sehr emotionaler Mann wie Peer Steinbrück kommt zu der Erkenntnis: Es ist genug. Dazu ist ihm menschlich zu gratulieren. Das Leben ist mehr als Politik und Arbeit und Leistung und Macht und Einfluss. Dass er dazu ausgerechnet den SPD-Parteikonvent nutzt, dem er damit inhaltlich einen großen Teil seines Wertes raubt, weil alle Welt nur über das Karriereende Steinbrücks redet und nicht über Inhalte, ist nur Begleitmusik. Steinbrück hat sogar noch den Durchhaltewillen bewiesen und die große Koalition mit auf den Weg gebracht. Seine emotionale Rede am Freitagabend auf dem Parteikonvent kann Wirkung in Richtung große Koalition haben. Viele Politstrategen konnten sich vorstellen, dass das von 2005 bis 2009 erfolgreiche Duo Merkel/Steinbrück (Letzterer diesmal in der Rolle des SPD-Fraktionsvorsitzenden, weil er ja nicht in die Regierung wollte) an die damalige große Koalition anknüpfen könnte. Und dem Volk wäre das auch die liebste Lösung. Dazu wird es nach Steinbrücks Ankündigung jedoch nicht mehr kommen. Doch auch das gilt es zu bemerken: Die Gewichte innerhalb der SPD haben sich verschoben. Wenn die Ablehnung der großen Koalition durch NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft mehr ist als reine Taktik (was auch im Willy-Brandt-Haus niemand wirklich weiß, wie zu hören ist), um möglichst viel für die SPD herauszuholen, bleibt vieles weiter offen. Die Fürsprecher einer großen Koalition haben mit Steinbrück eine Stimme verloren. Steinbrück selbst hat die Freiheit gewonnen. Sie ist ihm nach einem langen Wirken für NRW und Deutschland zu gönnen.

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