16.09.2015 22:32:42

Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar Kanzlerin Merkel und die Flüchtlinge Pragmatisch wie immer CARSTEN HEIL

Bielefeld (ots) - Die Bundeskanzlerin steht. Das muss man ihr lassen. Und sie steht richtig. Erst nach langem Zögern hat Angela Merkel das Thema "Flüchtlinge" entdeckt, dann aber von ihrer Richtlinienkompetenz konsequent Gebrauch gemacht. Der Impuls, Menschen in Not zunächst zu helfen und erst dann zu prüfen, ob sie tauglich sind, integrationswillig und -fähig, ist richtig. Nicht alle Zuwanderer sind aus lauteren Gründen hier, nicht alle sind ehrlich. Aber doch gilt zuerst das Hilfsgebot, das Merkel mit dem Satz untermauert hat: "Wenn wir jetzt anfangen müssen, uns dafür zu entschuldigen, dass wir in Notsituationen ein freundliches Gesicht zeigen, ist das nicht mein Land." Ein starker Satz. Er hat nichts mit naiver Willkommenspolitik zu tun. Es ist der typische Merkel-Pragmatismus, diesmal allerdings vermischt mit bei ihr ungewohntem sprachlichem Pathos. Sie beobachtet lange, sie lässt es oft treiben, wie es ihr die Kritiker vorwerfen. Aber dann entscheidet sie und steht dazu. Das war in der Parteispendenaffäre Helmut Kohls so, da hat sie auch plötzlich durchgezogen. Das lässt sich an der Energiewende in der Folge von Fukushima beobachten. Und auch die Euro-Griechenkrise ging sie auf ähnliche Weise an. Wenn sie sich festgelegt hatte, stand sie. Schon trompeten die Beobachter jedoch, Merkel habe mit den Flüchtlingen "ihr" Thema als Bundeskanzlerin gefunden. Andere stellen fest, dass sie bereit sei, für die Flüchtlingshilfe sogar ihre Macht zu riskieren. Nein, es ist ihr immer wiederkehrendes Handeln entsprechend den Erfordernissen. Zumal sie aktuell keine große Gefahr läuft: Die - wenn auch etwas stillere
Mehrheit der Deutschen will den Flüchtlingen helfen. Anders als Gerhard Schröder mit der Agenda 2010, der von Beginn an mehr als ahnte, darüber seine Macht zu verlieren, ist Merkel mit ihrem Flüchtlings-Kurs noch auf der sicheren Seite. Aber das kann sich ändern. Schwierig wird für Merkel dadurch vor allem das Verhältnis zur Schwesterpartei CSU.

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