28.12.2014 21:02:58
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Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar Europa 2015 Fälliger Leistungsnachweis Knut Pries, Brüssel
Bielefeld (ots) - 2014 war das Jahr des Gedenkens, sagt Angela
Merkel mit Blick auf die historischen Daten: Erster Weltkrieg, Fall
der Mauer. Gedenken, das klingt besinnlich. Doch davon konnte keine
Rede sein. Putin, die Mörderhorden des Islamischen Staats und eine
vor sich hinkriselnde Realwirtschaft sorgten dafür, dass es in der EU
durchaus nicht geruhsam zuging. 2015 wird das nicht anders sein. Was
wird die EU-Oberen vordringlich beschäftigen? Frans Timmermans,
erster Vizepräsident der EU-Kommission und Schlüsselfigur im neuen
Brüsseler Führungspersonal, sagt: das Investitionspaket von
Kommissionschef Juncker. Nigel Farage, britischer EU-Verächter und
Schandmaul im Europaparlament, prophezeit: Griechenland und
Großbritannien. Recht haben sie beide. Junckers Paket, mit dem 315
Milliarden Euro für Infrastruktur und Modernisierung mobilisiert
werden sollen, ist schon jetzt von Zweifeln umlagert. Nicht nur wegen
der Details der Umsetzung oder der Frage, ob tatsächlich mit einer
Ausgangssumme von 21 Milliarden Euro öffentlichem Geld der
fünfzehnfache Betrag "gehebelt" werden kann. Offen ist auch die
Stichhaltigkeit der Grundannahme: dass ein voluminöses Interesse
privater Anleger auf der einen, eine gewaltige Menge
zukunftsträchtiger Vorhaben auf der anderen Seite nur darauf warten,
durch einen bescheidenen Vorschuss Staatsknete zusammengebracht zu
werden. Fragezeichen begleiten auch das zweite groß angelegte
Eigenblut-Doping der EU-Ökonomie. Womöglich schon im ersten Quartal
will EZB-Chef Draghi sich mit dem umfassenden Ankauf von
Staatsanleihen gegen Deflation stemmen und die Konjunktur ankurbeln.
Es ist ein riskantes Spiel, mal abgesehen vom Streit um die
Zulässigkeit, der besonders in Deutschland Politik und Fachwelt
entzweit. Vor zwei Jahren, als es um die Linderung des Zinsdrucks in
den Euro-Problemländern ging, erreichte Draghi das Ziel allein mit
der Ankündigung der Bereitschaft zum Handeln. Diesmal wird er nicht
darum herumkommen, den Worten Taten folgen zu lassen - mit ungewissem
Ausgang. Den Beweis, dass sie "nicht nur Haushalt, sondern auch
Wachstum kann" (Merkel), muss die EU noch liefern. Und das parallel
zum nächsten Schub politischer Turbulenzen in Griechenland. Heute
entscheidet sich dort, ob noch diesen Winter gewählt wird. Ans Ruder
käme womöglich der linke Volkstribun Tsipras, der seinen Landsleuten
versprochen hat, sie vom Joch der Brüsseler Sparpolitik zu befreien.
Die Aussicht auf einen Erfolg der Linken sorgt für Nervosität an den
Märkten und bei den Managern der Euro-Zone. Dito bei Teil zwei des
Farage-Szenarios: der stetigen Abdrift Großbritanniens. Im Mai will
sich Premierminister Cameron wiederwählen und alsdann das Volk
entscheiden lassen, ob es aus der EU austreten will. Es wäre ein
Verlust, den die EU als politische Macht nur schwer verkraften würde.
Dabei wird die EU als internationaler Akteur im kommenden Jahr
stärker gefordert sein als jemals zuvor. Für den Krisenraum
Syrien/Irak ist eine zusammenhängende Strategie nicht in Sicht. Im
Verhältnis zu Russland gerät die Geschlossenheit der EU in der
Sanktionenfrage unter schweren Druck. Schon zuletzt war sie nur noch
mühsam zu halten gewesen. Im März, dann wieder im Juni/Juli steht die
Verlängerung der verhängten Maßnahmen an, unter verschärften
Rahmenbedingungen. Russlands Finanzsystem wankt, die Wirtschaft geht
in die Knie. Beide Seiten der Debatte, Hardliner wie Brückenbauer,
sehen sich bestätigt. Immerhin hat die EU im unruhigen Gedenkjahr
2014 ihren umständlichen Personalwechsel (Parlament, Kommission,
Europäischer Rat) hinter sich gebracht. Für die neuen Leute gibt es
indes keine Schonfrist. 2015 wird innen- wie außenpolitisch der
Leistungsnachweis fällig.
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Pressekontakt: Neue Westfälische News Desk Telefon: 0521 555 271 nachrichten@neue-westfaelische.de
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