02.05.2013 16:11:30
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Neue Steuerverhandlungen mit Schweiz geraten in Wahlkampfmühle
Von Andreas Kißler
BERLIN--Die Schweiz hat überraschend ihre Bereitschaft signalisiert, erneut über ein Steuerabkommen mit Deutschland zu verhandeln. Auch der Fall Uli Hoeneß könnte dabei eine Rolle gespielt haben. Doch jetzt droht die Angelegenheit gleich wieder in den Mühlen des deutschen Vorwahlkampfes zerrieben zu werden.
Die deutsche Opposition jedenfalls ist zu einer Neuverhandlung nur bereit, wenn dabei ein grundsätzlich anderes Vertragswerk angestrebt wird als letztes Mal. Die Regierungskoalition wiederum hält das für den falschen Weg.
Als der Schweizer Außenminister Didier Burghalter der Bild-Zeitung am Mittwoch erklärte, sein Land sei bereit zu Gesprächen, weckte dies Hoffnungen auf eine baldige Wiederbelebung der deutsch-schweizerischen Pläne. "Wenn Deutschland nach seiner Ablehnung das Gespräch mit uns suchen will, sind wir offen", sagte Burghalter und nannte den derzeitigen Zustand mit Zufallsfunden aus Steuer-CDs "für beide Seiten unerfreulich".
Doch nach den Äußerungen der deutschen Opposition haben sich die Hoffnungen auf ein baldiges Übereinkommen abgeschwächt. Denn die Sozialdemokraten haben sich zwar grundsätzlich zu einer Lösung für Altfälle bereit gezeigt, sie verlangen aber eine Aufhebung der Anonymität. Vor allem aber beharren sie darauf, dass auch unter einem Abkommen weiter Steuer-CDs angekauft werden sollen.
Der SPD-Fraktionsvize Joachim Poß stellte am Donnerstag konkrete Bedingungen. "Wir können uns auch ein isoliertes Abkommen mit der Schweiz zur Regelung der Altfälle vorstellen unter Beachtung rechtsstaatlicher Kernauffassungen - das heißt, dass es keine Legalisierung von Steuerkriminalität bei fortbestehender Anonymität geben darf", sagte er dem Wall Street Journal Deutschland. Voraussetzung sei, "dass die Steuerkriminellen ihre Hosen runterlassen, jedenfalls gegenüber der Finanzbehörde".
Ein Ankauf von Steuer-CDs solle aber "selbstverständlich" beibehalten werden, so lange es keinen jahrelang erprobten automatischen Informationsaustausch gebe. Poß meinte, der Fall Hoeneß habe in dem jüngsten Kontext eine Rolle gespielt, weil er "als ausdrücklichen Bezugspunkt für sein Verhalten das deutsch-schweizer Abkommen genannt hat, von dem er sich fortbestehende Anonymität versprochen hat". Das sah er als eine weitere Bestätigung für die Haltung der SPD.
Die Union konterte sogleich, derartige Vorbedingungen für neue Verhandlungen mit der Schweiz gefährdeten den Erfolg eines solchen Vorhabens. Fraktionsvize Michael Meister und Finanzexperte Ralph Brinkhaus (beide CDU) lobten zwar das Schweizer Gesprächsangebot, erhoben aber auch Forderungen an die Opposition.
"Die SPD verkennt noch immer, dass wir anderen Staaten nicht unseren Willen diktieren können", kritisierte Meister. Vorbedingungen schadeten schon der Aufnahme von Verhandlungen. "Offenbar kommt es der SPD auch gar nicht auf Lösungen an", argwöhnte Meister. Anstatt einer flächendeckenden Erfassung von Kapitalerträgen wollten die Sozialdemokraten anscheinend lieber Menschen an den öffentlichen Pranger stellen. "Unabhängig von den Verhandlungsergebnissen werden wir mit Blick auf die Anonymität keine Durchbrechung des Steuergeheimnisses zulassen," stellte Meister klar und wischte die zentrale Forderung der SPD damit vom Tisch.
Brinkhaus bekräftigte die ablehnende Haltung der Union gegenüber einer dauerhaften Nutzung von Steuer-CDs. "Uns ist es wichtig, dass wir uns nicht zukünftig auf CDs berufen müssen", betonte er, und forderte zugleich Bewegung bei der Opposition. Zu hoffen sei, "dass auch alle Seiten wirklich ein Interesse daran haben, eine Lösung hinzubekommen", und Lösungen nicht aus wahltaktischen Gründen blockiert würden. "Verhandlungen implizieren, dass beide Seiten sich bewegen, und da ist die Frage, wer da eher der Bottleneck ist: Rot-Grün oder die Schweiz."
Das Finanzministerium betonte, man spreche ohnehin mit der Schweiz, verwies aber ansonsten auf laufende Bestrebungen zur Ausweitung des automatischen Informationsaustausches innerhalb der EU und mit Drittstaaten. "Der Gesprächsfaden zwischen den zuständigen Finanzministerien Deutschlands und der Schweiz ist nie abgerissen, auch nicht nach der Blockade des Abkommens im Bundesrat", erklärte eine Sprecherin des Ministeriums von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU).
Klar scheint aber, dass ernsthafte Gespräche über eine neue Vertragsgrundlage für ein bilaterales Abkommen nicht mehr vor der Bundestagswahl erfolgen dürften, die am 22. September stattfindet. Denn für eine erneute Einigung beider Seiten plus parlamentarischer Umsetzung ist die Zeit bis dahin zu kurz, und es macht für beide Seiten keinen Sinn, wenn auf deutscher Seite eine Regierung verhandelt, deren Zukunft unklar ist.
Fest steht: Käme es bei der Bundestagswahl zu einer Bestätigung der bisherigen Regierungskoalition aus Union und FDP, wäre die Situation auch nach der Wahl so festgefahren wie vorher. Denn die Oppositionsparteien verfügen derzeit über eine "Gestaltungsmehrheit" im Bundesrat, mit der sie dieses Vorhaben erneut scheitern lassen könnten, wenn es nicht ihren Vorstellungen entspricht. Nur wenn es also zu einem Regierungswechsel im Bund käme, bestünde wohl die Chance auf einen schnellen Beschluss von Bundestag und Bundesrat zu dem Abkommen.
Vor einer umfassenden Lösung stehen aber in jedem Fall schwierige Verhandlungen, meinte der Berliner Steuerrechtler Frank Hechtner. "Man hat vom automatischen Informationsaustausch gesprochen, das ist ja schon eine sehr hohe Hürde", sagte er. "Es ist fraglich, ob die Schweiz an so etwas gedacht hat."
Kontakt zum Autor: andreas.kissler@dowjones.com
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May 02, 2013 09:41 ET (13:41 GMT)
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