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20.07.2022 22:05:00
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Netflix verliert weniger Kunden als erwartet - Netflix-Aktie deutlich im Plus
Der Ausblick bleibt jedoch verhalten. Für das laufende Vierteljahr rechnet Netflix zwar wieder mit einem Zuwachs von rund einer Million Nutzer. Doch Analysten hatten mehr erwartet. Der Umsatz legte im abgelaufenen Quartal im Jahresvergleich um 8,6 Prozent auf 8,0 Milliarden Dollar zu. Unterm Strich verdiente Netflix 1,44 Milliarden Dollar, vor einem Jahr waren es 1,35 Milliarden gewesen. Das Betriebsergebnis sank jedoch um 15 Prozent auf 1,6 Milliarden Dollar, wie Netflix am Dienstag nach US-Börsenschluss mitteilte.
Punkten konnte Netflix im jüngsten Quartal besonders mit "Stranger Things". Die vierte Staffel der Serie war die populärste, die der Streaming-Dienst nach eigenen Angaben je ausgestrahlt hat - zumindest in englischer Sprache. Dennoch tat sich das Unternehmen gerade in seinen etablierten und von verschärfter Konkurrenz durch Rivalen wie Disney oder HBO geprägten Märkten schwer. In den USA und Kanada verlor Netflix binnen drei Monaten 1,3 Millionen Kunden. Dafür gab es in der Asien-Pazifik-Region - auch dank Preissenkungen in Indien - gute Zuwächse.
So reagiert die Netflix-Aktie
Eine überraschend gute Entwicklung der Zuschauerzahlen hat die Anteilseigner von Netflix am Mittwoch versöhnlicher gestimmt. Schlussendlich betrug das Kursplus an der NASDAQ 7,35 Prozent auf 214,61 US-Dollar. Damit stand die Aktie auf dem höchsten Niveau seit April. Den Widerstand um die 200 Dollar konnten sie locker hinter sich lassen.
Seit Jahresbeginn steht auf Basis des Schlusskurses vom Vortag aber immer noch ein Kursrückgang um rund zwei Drittel zu Buche. Damit ist die Aktie einer der größten Verlierer im technologielastigen Auswahlindex NASDAQ 100, der im selben Zeitraum ein Viertel eingebüßt hat.
Dank Serienhits wie "Stranger Things" schnitt Netflix im zweiten Quartal nicht so schlecht wie befürchtet ab. Die Zahl der bezahlten Nutzerkonten ging zwar um 970 000 zurück, das Unternehmen selbst hatte aber mit einem Verlust von zwei Millionen Abos gerechnet.
Netflix tat sich jedoch gerade in seinen etablierten und von verschärfter Konkurrenz geprägten Märkten schwer. Die Titel des Unterhaltungsriesen Walt Disney, der mit Disney+ längst einen eigenen Streamingdienst aufgezogen hat, verteuerten sich vorbörslich um gut anderthalb Prozent. Amazon, dessen Prime-Kunden den Streamingdienst des weltgrößten Onlinehändlers nutzen können, ist ein weiterer ernstzunehmender Netflix-Rivale, ebenso wie Home Box Office (HBO) mit seiner Streamingplattform Max.
Netflix habe insgesamt die sehr geringen Erwartungen übertroffen und bei der Konferenz zu den Zahlen zudem optimistischer geklungen als nach dem ersten Quartal, betonte Andrew Uerkwitz vom Analysehaus Jefferies. Allerdings habe der Umsatz unter dem starken US-Dollar gelitten und liege knapp unter der Konsensschätzung.
Der Ausblick auf das laufende Quartal bleibt verhalten: Netflix erwartet zwar mit rund einer Million neuen Nutzern wieder Wachstum, bleibt damit aber hinter den Erwartungen zurück. So hatte etwa Goldman-Experte Eric Sheridan mit einem Plus von 2,3 Millionen Nutzern gerechnet und John Hodulik von der Schweizer UBS immerhin mit 1,2 Millionen. Im Gegensatz zum vergangenen Quartal sei das aber immerhin ein Wachstum, wenngleich ein sehr bescheidenes, schrieb sein Kollege Doug Anmuth von der Bank JPMorgan.
Wichtiger seien zudem der besser als erwartet ausgefallene Jahresausblick für den Barmittelzufluss (FCF) und die Initiativen für eine günstigere Version des eigenen Streaming-Dienstes mit Werbeclips sowie die Verhinderung der Mehrfachnutzung von Accounts, so Anmuth weiter. Erfolge mit diesen beiden Initiativen hält auch Goldman-Experte Sheridan für entscheidend für eine langfristig wieder bessere Aktienkursentwicklung. Das Unternehmen werde weiter daran gemessen werden, ob es ihm gelinge, der zunehmenden Konkurrenz standzuhalten.
Netflix-Manager wichen in einem Videointerview Fragen dazu aus, wie hoch aus ihrer Sicht der Anteil der Nutzer in der günstigeren Variante mit Werbung werden könnte. Diese werde Zeit brauchen, um sich zu etablieren, glaubt UBS-Analyst Hodulik. Wegen der Wachstumsinitiativen und des gestiegenen Drucks durch den starken Dollar sowie Umbaumaßnahmen des Konzerns dürften zudem die operativen Margen bis ins kommende Jahr hinein stagnieren.
Netflix war jahrelang ein Liebling der Anleger. Die Aktien des Streaming-Vorreiters, die von der Corona-Pandemie zusätzlich beflügelt wurden, erreichten im November 2021 ein Rekordhoch von gut 700 Dollar. Gegen Ende vergangenen Jahres begann der Kurs dann im Zuge einer allgemeinen Schwäche der stark gestiegenen Techwerte zu bröckeln. Anfang 2022 brach der Netflix-Kurs nach einem enttäuschenden Abonnentenausblick regelrecht ein.
Im April folgte der nächste herbe Rückschlag: Für Netflix war das Auftaktquartal das erste Jahresviertel mit Kundenschwund seit mehr als zehn Jahren gewesen. Allein am 20. April büßte die Aktie denn auch mehr als ein Drittel ein. Ab Mai stabilisierte sie sich dann im Bereich zwischen 160 bis 200 Dollar, eine nachhaltige Erholung gelang bislang aber nicht.
Nach den Kursverlusten der vergangenen Monate bringt Netflix aktuell nur noch rund 90 Milliarden Dollar auf die Börsenwaage. In der Spitze waren es im November mehr 311 Milliarden.
Es bleiben viele Baustellen bei Netflix
Doch für die Führungsriege um Gründer und Co-Chef Reed Hastings bleiben viele Baustellen. Nach dem schwachen ersten Halbjahr steht bei Netflix vieles auf dem Prüfstand, auch langjährige Traditionen. So brachte der Video-Dienst bei den jüngsten Staffeln seiner Hit-Serien "Stranger Things" und "Ozark" nicht mehr wie früher üblich alle Folgen auf einmal heraus. Das verlängert die Zeit, die Fans einer Serie Kunden bleiben müssen - und Rivalen wie Disney+ veröffentlichen standardmäßig nur eine Folge wöchentlich.
Auch bei einem noch größeren Tabu hat Hastings bereits klein beigegeben: Angesichts der schwachen Entwicklung der Nutzerzahlen wird Netflix eine günstigere Version seines Streaming-Dienstes mit Werbeclips anbieten. Eigentlich hatte Hastings diese Strategie stets abgelehnt. Als Tech-Partner für die Entwicklung eines solchen Modells wählte Netflix jüngst den Software-Riesen Microsoft. Die Werbevariante soll voraussichtlich Anfang 2023 anlaufen, zunächst in "einer Handvoll von Märkten". Netflix-Manager wichen in einem Videointerview nach Vorlage Fragen dazu aus, wie hoch aus ihrer Sicht der Anteil der Nutzer in der günstigeren Variante mit Werbung werden könnte. Co-Chef Ted Sarandos räumte zugleich ein, dass nach aktuellem Stand das Angebot die weitaus meisten, aber nicht alle Inhalte auf der Plattform umfassen könnte. Über den Rest werde mit Studios verhandelt, aber nicht alles werde verfügbar sein.
Zudem will Netflix bald anfangen, konsequent gegen das Teilen von Passwörtern vorzugehen. Nach Schätzung des Dienstes fahren mehr als 100 Millionen Haushalte auf fremden Netflix-Abos mit. Im kommenden Jahr solle eine Lösung starten, um auch von ihnen Geld zu bekommen. Aktuell testet Netflix unter anderem in Argentinien, Honduras und Guatemala die Möglichkeit, zusätzliche Haushalte bei einem Abo dazuzubuchen.
Zum Ausbau des Angebots kündigte Netflix den Kauf des Animations- und Spezialeffekte-Studios Animal Logic an, das unter anderem am "Lego Movie" mitarbeitete.
Goldman Kurs belässt Netflix-Kursziel bei 186 US-Dollar - Rating "Sell" bleibt
Goldman Sachs hat Netflix nach Quartalszahlen auf "Sell" mit einem Kursziel von 186 US-Dollar belassen. Der Streamingdienst habe zwar weniger Bezahlabos verloren als von ihm selbst befürchtet, rechne für das dritte Quartal aber nur mit einer Million Kunden, was unter der Schätzung der US-Investmentbank liege, schrieb Analyst Eric Sheridan in einer am Mittwoch vorliegenden Studie. Das Unternehmen werde weiter daran gemessen werden, ob es ihm gelinge, der zunehmenden Konkurrenz standzuhalten. Entscheidend für eine langfristig wieder bessere Aktienkursentwicklung seien Erfolge bei den Bemühungen, Mehrfachnutzungen von Accounts zu verhindern und eine günstigere Version des eigenen Streaming-Dienstes mit Werbeclips einzuführen.
/hbr/DP/men
LOS GATOS (dpa-AFX)
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