Netflix zieht Bilanz |
20.01.2023 22:00:00
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Netflix-Aktie trotz Gewinneinbruch höher: Reed Hastings gibt Posten als Co-CEO ab
"Selbst Gründer müssen sich weiterentwickeln!", schrieb Hastings im Firmenblog am Donnerstag. Er hatte 2020 den langjährigen Inhalte-Chef Ted Sarandos in eine Doppelspitze befördert. Jetzt rückt Greg Peters, der bisher das Tagesgeschäft verantwortete, zum Co-Chef auf. "Ehrlich gesagt haben die beiden mehr und mehr das Unternehmen geführt", sagte Hastings in einem Interview. Er dürfte als geschäftsführender Verwaltungsratsvorsitzender weiter großen Einfluss behalten.
Das erste Geschäftsmodell von Netflix war der DVD-Verleih per Post. Hastings erkannte aber frühzeitig das Potenzial von Streaming und setzte darauf. Der nächste strategische Schritt war, eigene Inhalte zu produzieren: Zum einen, um Lizenzkosten zu sparen. Zum anderen, weil Hastings voraussah, dass Studios im Streaming-Boom ihr Programm für eigene Dienste behalten würden. Zugleich sperrte er sich gegen Werbung bei dem Dienst, tolerierte das Teilen von Passwörtern und hielt sich strikt von teuren Sport-Rechten fern. Mit den beiden ersten Grundsätzen bricht Netflix gerade.
Die Einführung des günstigeren Abos mit Werbung im November unter anderem auch in Deutschland war eine Reaktion auf den zunehmenden Wettbewerb mit immer mehr Streaming-Diensten. Auch beim großen Rivalen Disney+ gibt es inzwischen eine Version mit Anzeigen. Peters betonte, das Werbe-Abo lockt bisher vor allem neue Kunden an, der Wechsel aus teureren Tarifen sei gering.
Wenn Netflix feststellt, dass Passwörter über einen Haushalt hinaus geteilt werden, will der Dienst künftig einen Aufpreis verlangen. "Es wird kein allgemein populärer Schritt sein", räumte Peters ein. Man stelle sich darauf ein, dass einige Nutzer zumindest zeitweise Netflix verlassen werden. Zugleich stellt sich der Dienst auf zusätzlichen Umsatz durch den Schritt ein. Und Sarandos hofft vor allem auf die Attraktivität des Programms: "Wenn die Inhalte funktionieren, funktioniert das Geschäft."
Nachdem das vergangene Jahr über weite Strecken enttäuschend für Netflix verlaufen war, fiel der Abschluss wesentlich besser aus als angenommen. In den drei Monaten bis Ende Dezember gewann der Streaming-Service unterm Strich 7,66 Millionen neue Kunden hinzu - statt der erwarteten 4,5 Millionen. Insgesamt brachte es Netflix zum Jahresende auf 230,75 Millionen Nutzerkonten. Neben "Harry & Meghan" konnte der Videodienst auch mit der Serie "Wednesday" sowie den Filmen "Troll" und "Glass Onion" punkten.
"2022 war ein schwieriges Jahr mit einem holprigen Start, aber einem glänzenderen Abschluss", hieß es im Geschäftsbericht mit Blick auf die schwache erste Jahreshälfte. Netflix hatte zu Beginn der Pandemie einen Kundenansturm erlebt, geriet danach aber in schweres Fahrwasser mit zwischenzeitlichem Kundenschwund. Zur Konkurrenz finanzstarker Rivalen wie Disney und Amazon kam hinzu, dass bei Kunden das Geld durch die Inflation nicht mehr so locker saß. Nun läuft es wieder besser: Die Erlöse wuchsen im vierten Quartal im Jahresvergleich um rund zwei Prozent auf 7,9 Milliarden Dollar (7,3 Mrd Euro).
Der Nettogewinn brach zwar wegen ungünstiger Währungskursentwicklung von 607 Millionen auf 55 Millionen Dollar ein, dafür stellte Netflix für das laufende Vierteljahr einen Anstieg auf 1,3 Milliarden Dollar in Aussicht. Beim Umsatz rechnet das Unternehmen mit einem Zuwachs auf 8,2 Milliarden Dollar. Insgesamt lag der Quartalsbericht deutlich über den Prognosen der Wall-Street-Experten.
Netflix-Aktie auf Neunmonatshoch
Die Aktien von Netflix haben am Freitag mit einem Kurssprung auf überraschend starke Quartalszahlen des Streaming-Anbieters reagiert. Im frühen Handel gewannen die Papiere 8,5 Prozent auf 342,50 US-Dollar und erklommen den höchsten Stand seit dem Kurssturz im April 2022. Zuletzt gewannen die Papiere des Streaminganbieters im NASDAQ-Handel noch 8,46 Prozent auf 342,50 US-Dollar.
Das vergangene Jahr war für das operative Geschäft von Netflix über weite Strecken enttäuschend verlaufen, der Abschluss fiel aber wesentlich besser aus als angenommen. Vor allem beim Zuwachs der Kundenzahl überzeugte der Konzern, indem er in den drei Monaten bis Ende Dezember unter dem Strich 7,66 Millionen neue Abbonenten hinzugewann und damit die Erwartungen deutlich übertraf.
Die Reaktionen der Analysten ließen nicht lange auf sich warten, zahlreiche Häuser hoben ihre Kursziele an. Der angekündigte Wechsel an der Konzernspitze spielte dabei nur eine untergeordnete Rolle. Der Streaminganbieter habe im Schlussquartal weit besser abgeschnitten als gedacht, schrieb Analyst Douglas Mitchelson von der Schweizer Bank Credit Suisse. Zu verdanken sei dies einem unerwartet starken Kundenzustrom und verbesserten Inhalten. Bemerkenswert seien auch die Fortschritte im Werbemarkt und beim Vorgehen des Konzerns gegen das Passwort-Teilen.
Sein Kollege Eric Sheridan von Goldman Sachs sprach von einem soliden Jahresabschluss mit einem unerwartet starkem Abonnentenwachstum. Die Investoren dürften sich nun auf die Umsetzung des werbefinanzierten Angebots und der Begrenzungen der Passwortweitergabe fokussieren, die als Wachstums- und Margentreiber dienen sollen. Nach dem jüngsten Kursanstieg sei ein Großteil der künftigen Dynamik in der Aktie aber bereits eingepreist, betonte er.
Der Umsatz habe die Erwartungen einigermaßen erfüllt, während das operative Ergebnis unter seiner Schätzung, aber über der Unternehmensplanung liege, bemerkte Andrew Uerkwitz vom Analysehaus Jefferies. Analyst Douglas Anmuth von JPMorgan lobte ebenfalls das überraschend starke Abonnentenwachstum. Der Rückzug von Firmengründer und Unternehmenschef Reed Hastings auf den Posten des geschäftsführenden Verwaltungsratschefs habe ihn nicht überrascht. Im laufenden Jahr traut der Experte Netflix ein beschleunigtes Umsatzwachstum sowie steigende Margen zu.
Mit der aktuellen Kursrally bleibt der Mitte Oktober begonnene Aufwärtstrend der Netflix-Aktien nach einer desaströsen ersten Jahreshälfte intakt. Bereits im Januar 2022 hatte es einen ersten Kursrutsch gegeben, wegen eines schockierenden Ausblicks auf die Zahl der Neuabonnenten. Ein Kundenschwund hatte den Anlegern dann im April nochmals einen Schreck versetzt: Vom Rekordhoch bei 700 US-Dollar vom November 2021 war der Kurs um mehr als drei Viertel eingebrochen.
LOS GATOS (dpa-AFX)
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