02.08.2018 23:17:42
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Mittelbayerische Zeitung: Spiel mit der Angst / Die Sorge, Opfer von Gewalt zu werden, ist gestiegen, besonders gegenüber Fremden. Das erste Opfer dieser Hysterie ist unsere Unbefangenheit. Von Bernha
Regensburg (ots) - Der Mensch liebt Sicherheit. Wir Deutsche
gelten als Menschen, die Sicherheit noch mehr lieben als andere
Völker. Und tun uns folglich umso schwerer damit umzugehen,
Sicherheiten zu verlieren; wobei ein großer Unterschied zwischen dem
besteht, welche Gewissheiten tatsächlich schwinden, und welche wir
mehr gefühlt als wirklich bedroht sehen. Der fatale Fehler dabei: Wir
engen unsere Freiheiten und die anderer ein, geben unsere
Unbefangenheit auf, legen unser Schicksal in die Hände von
autoritären Figuren und vermiesen uns damit ein relativ unbeschwertes
Leben. Die Angst schleicht sich in unseren Alltag. Sie führt zu
spektakulären Aktionen wie in diesen Tagen in Regensburg. Da ruft ein
Gottesdienstbesucher die Polizei, weil ein dunkelhäutiger Mann sich
im Dom unsicher bewegt, Drähte aus seiner Kleidung ragen und sich
noch etwas darunter verbirgt. Daraus entsteht ein martialischer
Polizeieinsatz, bei dem der Verdächtige mit dem Bauch auf dem Boden
liegend von Beamten aus der Entfernung und mit auf ihn gerichteten
Waffen befragt wird. Terrorverdacht, Krisenszenario. Dass jüngere
Menschen häufig Kopfhörer tragen und jemand bei den hohen
Temperaturen dieser Tage eine Getränkeflasche mit sich führt, sollte
wenig überraschen; auch, dass jemand, der womöglich einer anderen
Religion angehört, sich nicht so selbstverständlich in einer Kirche
bewegt wie ein hiesiger Katholik. Der Anrufer bei der Polizei hatte
wahrscheinlich Bilder von Selbstmordattentätern im Kopf. Aber wie
sieht ein "wirklicher" Selbstmordattentäter aus? Was ist ernsthaft
verdächtig? Es ist so leicht, einer Wahrnehmung aufzusitzen, welche
die Welt für einen zunehmend gefährlichen Ort hält. Und dass Fremde
beziehungsweise fremd aussehende Menschen als Bedrohung empfunden
werden. Die Angst, Opfer einer Gewalttat durch einen Fremden zu
werden, ist groß; das Risiko aber vergleichsweise gering.
Gewaltkriminalität sinkt seit zehn Jahren, wissen Kriminologen. Die
große Zahl an Flüchtlingen, die inzwischen hinzugekommen sind, wirkt
sich offensichtlich nicht entsprechend aus. Es gibt eine gewaltige
Diskrepanz zwischen gefühlter und tatsächlicher Sicherheit. Ein
Beispiel: Stellen Sie sich vor, Sie verirren sich nachts im Wald. Sie
werden Angst um Ihr Leben bekommen und sich in den Kreis ihrer
Familie sehnen. Tags darauf kehren sie froh und heil zurück nach
Hause. Nun blicken Sie in die Kriminalitätsstatistik. Sie stellen
fest: Um sicher vor den Gefahren für Leib und Leben zu sein, begeben
Sie sich am besten sofort zurück in den Wald. Dort ist seit Jahren
niemandem etwas geschehen. Und Sie halten sich dringend von der
Familie fern. Ständig ereignen sich im Kreise der Anverwandten Mord
und Totschlag. Hier steht Logik gegen Emotion. Wir Menschen können
nicht nur logisch denken und handeln. Aber wir sollten uns das immer
wieder bewusst machen. Noch nie haben wir so friedlich gelebt wie
heute. Wir können, ob Frau oder Mann, in der Oberpfalz nahezu überall
gelassen mitten in der Nacht allein durch die Stadt gehen. Es wird
sehr, sehr, sehr wahrscheinlich nichts Schlimmes passieren. Die
Sicherheit bei uns ist hervorragend. Das ist rund um den Globus eher
selten. Wir sollten über unsere Situation glücklich sein. Und alles
dafür tun, dass es so bleibt. Deshalb wäre es klug, nicht politisch
motivierten Schreihälsen auf den Leim zu gehen, die uns glauben
machen wollen, wir lebten in ständig wachsender Gefahr. Besonders in
Wahlkampfzeiten macht es sich immer gut, Handlungsbereitschaft zu
demonstrieren, Strafverschärfungen erfreuen sich gerade nach
aufsehenerregenden Taten großer Zustimmung. Auch wenn es nichts
nützt. Sondern schadet.
OTS: Mittelbayerische Zeitung newsroom: http://www.presseportal.de/nr/62544 newsroom via RSS: http://www.presseportal.de/rss/pm_62544.rss2
Pressekontakt: Mittelbayerische Zeitung Redaktion Telefon: +49 941 / 207 6023 nachrichten@mittelbayerische.de
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