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20.06.2014 22:02:58

Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel zu Schulz/Juncker: Kammer-Kungelei von Hanna Vauchelle

Regensburg (ots) - Das Gezerre um SPD-Spitzenkandidat Schulz zeigt: Auch im EU-Parlament gibt es noch Postengeschacher.

Dass Entscheidungsprozesse in der EU nicht von der schnellsten Sorte sind, ist bekannt. Und so bietet die Behäbigkeit der europäischen Institutionen gerne Anlass für Kritik. Insofern darf man sich nicht darüber wundern, dass die EU auch in Sachen Personalpolitik nur in kleinen Schritten vorankommt. Raus aus dem Hinterzimmer - so lautet die Devise, die sich findige EU-Politiker seit der Europawahl zu eigen gemacht haben. Die Mitgliedsstaaten dürften die Topposten nicht länger untereinander auskungeln, so die Forderung. Dabei kommt nicht einmal das Parlament so schnell der eigenen Forderung hinterher. Das Gezerre um Martin Schulz zeigt: Die Kammer kungelt ebenfalls. Seit der Europawahl tobt ein Machtkampf zwischen den europäischen Institutionen. Die Waffen sind dabei ungleich verteilt. So präsentiert sich das Europaparlament in der Öffentlichkeit als einzig wahrer Hort der Demokratie, der den Wählerwillen respektiert und den siegreichen Spitzenkandidaten Jean-Claude Juncker geschlossen unterstützt. Mit dem Finger wird hingegen auf die Mitgliedsstaaten gezeigt. Diese wollten sich im Nachhinein nicht mehr an die Abmachungen zu den Spitzenkandidaten halten und ein eigenes Personalpaket auskungeln, so der Vorwurf. Sicherlich, verfolgt man die Diskussion der letzten Wochen, so steckt darin ein Fünkchen Wahrheit. Schließlich versucht Briten-Premier David Cameron mit allen Mitteln Juncker als Kommissionspräsidenten zu verhindern. Auch Frankreichs Präsident François Hollande wehrt sich noch gegen die Personalie. Beiden geht es dabei weniger um Europa, als darum innenpolitisch zu punkten. Das starke Abschneiden der EU-Hasser in den jeweiligen Ländern, treibt den Briten und den Franzosen in die Enge. Währenddessen sitzt die Bundeskanzlerin zwischen allen Stühlen. Einerseits will sie sich nicht nachsagen lassen, die demokratische Legitimation des Parlamentes zu untergraben, indem sie sich gegen Juncker stellt. Der Vorwurf der Wählertäuschung stände im Raum. Andererseits will sie für einen Ausgleich unter den EU-Staats- und Regierungschefs sorgen und Großbritannien in der EU halten. Als wäre die Lage nicht schon kompliziert genug, hat einer dazu beigetragen, dass es in Berlin und Brüssel beinahe richtig gekracht hätte: Martin Schulz. Strotzend vor Selbstbewusstsein verkündete der unterlegene SPD-Spitzenkandidat in dieser Woche, dass er weiterhin Vize-Kommissionspräsident werden wolle. Obwohl der deutsche Kommissarsposten aufgrund des EU-Wahlergebnisses eigentlich der Union zustehen müsste. Hier hat SPD-Chef Sigmar Gabriel nun die Notbremse gezogen und Schulz zurückgepfiffen. Es ging dabei auch um Schadensbegrenzung. Denn Schulz betrieb mit seiner Ich-Personalpolitik das, was er den Mitgliedsstaaten zuletzt immer wieder vorwarf: Postengeschacher ohne demokratische Legitimation. Dennoch: Ganz leer ausgehen will Martin Schulz nicht. Wenn es schon nicht bis in die Kommissionsspitze reicht, dann soll es bitteschön erneut der Parlamentsvorsitz sein. Noch bevor Juncker Kommissionschef wird, soll Schulz nun Kammerpräsident werden, so die Forderung. Man kann dies als Einlenken im Sinne der Vernunft verstehen. Andererseits zeigt dieses neueste Manöver auch, dass sich das Europaparlament selbst noch lange nicht vom Prinzip des Postengeschachers frei gemacht hat. Wahrscheinlich ist dieser Anspruch sowieso zu idealistisch. Die EU ist nun einmal ein Verbund aus vielen Ländern, Kulturen und Interessen. Spitzenämter nach Proporz zu verteilen, garantiert inneren Frieden und Stabilität. Der Weg aus dem Hinterzimmer ist für die EU - wenn sie ihn wirklich gehen will - noch lang und beschwerlich.

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