23.07.2015 23:02:39

Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel von Reinhard Zweigler zur Bundeswehr

Regensburg (ots) - Vom ersten Bundespräsidenten Theodor Heuß ist überliefert, dass er die Soldaten der gerade gegründeten Bundeswehr mit den Worten ins Manöver verabschiedete: Na, dann siegt mal schön. Wenige Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg, bei dem Hitlers Wehrmacht Tod und Verderben nach Europa trug und selbst Millionen tote Soldaten zu beklagen hatte, war die neue Armee in der Bundesrepublik höchst umstritten. Einstige Soldaten hatten sich nach der Menschheitskatastrophe geschworen, nie wieder eine Waffe in die Hand zu nehmen. Doch aus dem Radikal-Pazifismus wurde bekanntlich nichts. Zu Konrad Adenauers klarer Integration der Bundesrepublik in die westliche Gemeinschaft gehörten schließlich auch die Mitgliedschaft im nordatlantischen Verteidigungsbündnis sowie der Aufbau einer neuen Armee. Und zur Bundeswehr gehörte über fünf Jahrzehnte lang die Wehrpflicht. Der junge demokratische Staat sollte sich verteidigen können. Vor allem, weil im Zuge des Kalten Krieges jenseits der deutsch-deutschen Grenze das Regime in Moskau die Sowjetarmee sowie die Streitkräfte seiner Vasallenstaaten gewaltig aufrüstete. Zum Glück kam es nicht zu einem heißen Krieg in Europa und auf deutschem Boden. Der hätte vermutlich im atomaren Inferno geendet. Die friedliche Revolution in der DDR und der Mauerfall befreiten Deutschland auch von dieser brisanten militärischen Gefahr. Nun redete man von einer "Friedensdividende", wenn Rüstungsausgaben eingespart werden könnten. Und plötzlich bekam die alte Bundeswehr ein Problem. Sie passte scheinbar nicht mehr in die neue Friedensordnung, war überdimensioniert, hatte zu viele Panzer und Soldaten. Deutschland war über Nacht nur noch von Freunden "umzingelt". Selbst der russische Bär, in Gestalt von Boris Jelzin, brummte freundlich. Die Bundeswehr war, so erschien es manchem, fast ein Fremdkörper im eigenen Land geworden. Freilich wissen wir heute, dass sich nicht alle Hoffnungen der 90er Jahre erfüllten. Die Welt wurde auch nach dem Fall der Ost-West-Konfrontation nicht friedlicher. Eine erste ausländische Bewährungsprobe hatte die nunmehr vereinte ost-westdeutsche Bundeswehr auf dem Balkan zu bestehen. Es folgten der verlustreiche Afghanistan-Krieg, der immer noch nachwirkt, sowie Dutzende andere internationale Einsätze. Vom Anti-Piraten-Einsatz vor dem Horn von Afrika bis in den Libanon und in die Türkei, um islamistische Extremisten in die Schranken zu weisen. All diese Herausforderungen hat die neue und mehrfach reformierte Bundeswehr mit Anstand gemeistert. Es war einzig die allgemeine Wehrpflicht, die fortbestand und immer noch an die Zeit des Kalten Krieges erinnerte. Diesen alten Zopf wollte jedoch vor allem die Union partout nicht abschneiden. Die Pflicht zur Vaterlandsverteidigung schien so in Stein gemeißelt wie die soziale Marktwirtschaft, wie die Tarifpartnerschaft oder das Wahlrecht. Allerdings war die gesellschaftliche Entwicklung einfach über dieses Relikt hinweg gegangen. Von einer Wehrgerechtigkeit war längst schon keine Rede mehr. Nur noch ein Bruchteil der jungen Männer eines jeden Jahrgangs wurde wirklich noch zum "Bund" eingezogen. Vermutlich würden wir heute noch unter der Wehrungerechtigkeit stöhnen, wenn nicht der damalige Minister Karl-Theodor zu Guttenberg den alten Zopf abgeschnitten hätte. Dies bleibt ein Verdienst des CSU-Mannes. Vier Jahre später sind die Probleme der neuen Freiwilligen-Armee aber nicht kleiner geworden. Sie wird von Nachwuchssorgen geplagt, wogegen auch von der Leyens Wohlfühl-Programm mit Kitas und W-Lan in den Kasernen nichts ausrichten konnte.

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