06.07.2015 22:02:43
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Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel von Reinhard Zweigler zu Griechenland/Merkel
Regensburg (ots) - Ein wenig erinnert das, was Kanzlerin Angela
Merkel und Vizekanzler Sigmar Gabriel zum griechischen Trauerspiel
sagen, an das aus Kriminalfilmen bekannte Modell "guter Polizist,
böser Polizist". Nur mit nicht immer klar verteilten Rollen. Merkel
lässt, auch jetzt nach dem sonntäglichen Nein der Griechen zur
Fortsetzung des Rettungsprogramms der "Troika", keine Gelegenheit
aus, um nicht die "offenen Türen" für Athen zu beschwören. Gestern
Abend sprach sie mit Francois Hollande in Paris, einem Bruder im
Geiste. Heute brüten die Regierungschefs der Euro-Gruppe in Brüssel
über die neue Situation mit ihrem größten Sorgenkind: Hellas. Der
Vizekanzler gibt eher den knallharten Forderer. Er sehe nach dem
Referendum keine Grundlage mehr für Verhandlungen mit der Regierung
von Alexis Tsipras. Der habe die Brücken zu den Euro-Partnern
abgerissen und sein Land auf einen Weg von bitterem Verzicht und
Hoffnungslosigkeit geführt, kanzelte Gabriel den griechischen Premier
ab. In der Bild-Zeitung und anderswo. Ähnlich starke Worte fanden
höchstens der CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer oder der
"Grexit-Prediger" Markus Söder. Nun kann Gabriel relativ gefahrlos
kräftig austeilen. Der SPD-Chef sitzt nicht mit am Verhandlungstisch,
wenn tage- und nächtelang über einen Ausweg aus der
Griechenland-Bredouille verhandelt wird. Zu Gabriels Vorpreschen
gegen die linke Regierung in Athen mag auch beitragen, dass er auf
keinen Fall als Tsipras-Versteher haftbar gemacht werden will. Und
dass sich eine große Mehrheit der Deutschen gegen weitere
Hilfsprogramme, weitere Milliarden für Griechenland sträubt, ist dem
Vizekanzler ebenfalls nicht entgangen. Deshalb überholt er die
Kanzlerin beinahe noch von rechts. Schwieriger stellt sich die
Malaise für Angela Merkel dar. Die Griechenlandkrise kratzt auch am
Image der deutschen Kanzlerin, der Meisterin Europas. Bei einem
Grexit, dem Ausscheiden Athens aus der Gemeinschaftswährung, wäre
auch Merkels bisherige Euro-Rettungspolitik gescheitert. Die Lage ist
für die deutsche Kanzlerin und CDU-Vorsitzende gleich doppelt
verzwickt: Würde sie jetzt auf die neuesten Forderungen von Alexis
Tsipras eingehen, würde gleichsam dessen Abkehr von ehernen
EU-Grundsätzen - etwa, dass es Hilfen nur bei entsprechenden eigenen
Anstrengungen und Reformen gibt - belohnt. Das Aus-der-Reihe-Tanzen
und die rotzige Unverfrorenheit der Links-Regierung in Athen würde
toleriert, sogar noch honoriert. Nachahmungseffekte in anderen
Ländern würden gleichsam vorprogrammiert. Auf der anderen Seite steht
Merkel unter erheblichen Druck aus den eigenen Reihen. Will sie die
Einheit der Euro-Länder unter Einschluss des bedrohlichen
Wackelkandidaten erhalten, wird sie um weitere Hilfen für Athen nicht
herumkommen. Dass möglicherweise die bisherigen Hilfskredite aus
Deutschland, es geht um eine Größenordnung von 70 Milliarden Euro,
abgeschrieben werden müssten, ist dabei noch Merkels kleinste Sorge.
Schwerer wiegt, dass es, so oder so, weitere Stützungen für das
EU-Mitglied Griechenland geben muss. Anders als manche Heißsporne aus
der CSU, die den Grexit lieber heute als morgen haben möchten, muss
die Kanzlerin auch die strategischen Auswirkungen bedenken. Dass etwa
ein Nato-Partner ausgerechnet an der Südost-Flanke des Bündnisses
geschwächt würde, macht auch Barack Obama große Sorgen. Von Wladimir
Putin, der genüsslich in die Bresche springen würde, ganz zu
schweigen.Angela Merkel kann als große Euro- und
Griechenland-Retterin in die Geschichte eingehen - oder aber als
gescheiterte Trümmerfrau.
OTS: Mittelbayerische Zeitung newsroom: http://www.presseportal.de/nr/62544 newsroom via RSS: http://www.presseportal.de/rss/pm_62544.rss2
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