02.01.2018 21:23:56
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Mittelbayerische Zeitung: Kommentar zur "Altersfeststellung jugendlicher Flüchtlinge"
Regensburg (ots) - Die Bluttat von Kandel, bei der vor einer Woche
ein angeblich minderjähriger Asylbewerber seine 15-Jährige deutsche
Ex-Freundin erstochen hat, wird noch lange nachwirken. Ähnlich wie
seinerzeit der gewaltsame Tod einer jungen Studentin in Freiburg.
Jede dieser Taten, auch wenn es sich um grausame Einzelfälle handelt,
zerstört viel Vertrauen: In die Möglichkeit, freundlich und
respektvoll mit Flüchtlingen egal welchen Alters zusammenleben zu
können. In die Integrationsfähigkeit und den Integrationswillen der
Menschen, die aus einer anderen Kultur ins Land gekommenen sind. Und
diese Taten zerstören das Vertrauen in den Staat und seine Fähigkeit,
seine Bürger vor Fremden schützen zu können. Nach solchen Ereignissen
hilft auch nicht die immer wiederkehrende Warnung, nur nicht zu
pauschalisieren. Zwar ist es wahr, dass die übergroße Mehrheit der
Flüchtlinge und Asylbewerber nicht kriminell ist oder wird. Aber so
tickt der Mensch nun mal nicht, zumindest nicht jeder sieht das so,
wenn er von Gewaltstraftaten liest. Schon gar nicht, wenn die Politik
ihrerseits noch pauschalisiert und damit bereits vorhandene Ängste
weiter verstärkt. Es gehört inzwischen fast schon zur politischen
Kultur im Land, nach solchen Taten reflexartig nach schärferen
Gesetzen zu rufen. Ohne dabei zu bedenken, dass erstens
verfassungsrechtlich oder praktisch nicht alles möglich ist. Und
zweitens, dass es in Deutschland oft kein Defizit der rechtlichen
Möglichkeiten gibt, sondern eher eines des konkreten Vollzugs. Für
das Asylrecht und den Umgang mit kriminell gewordenen Ausländern gilt
das allemal. Siehe den Fall des Attentäters Amri vom Berliner
Weihnachtsmarkt. Auch nach Kandel ist die Forderungsmaschinerie
wieder ins Rollen gekommen. Nun soll eine obligatorische medizinische
Altersfeststellung bei vermeintlich jugendlichen Flüchtlingen eine
Konsequenz sein. Die Union hat Recht, man darf es nicht hinnehmen,
wenn sich ein Flüchtling jünger ausgibt, als er tatsächlich ist, um
entweder einer Strafe ganz zu entgehen oder eine mildere zu erhalten.
Oder aber, um seine Chancen zu erhöhen, im Land verbleiben zu können.
Denn das deutsche und europäische Asylrecht weist hohe Hürden auf,
wenn es um die Abschiebung unbegleiteter, minderjähriger Flüchtlinge
geht. Konkret ist das fast unmöglich. Nur suggeriert die Forderung
eben etwas anderes: Schutz. Doch in der Realität wäre der präventive
Effekt einer solchen obligatorischen Altersfeststellung gering, die
Tat von Kandel wäre damit vermutlich nicht verhindert worden. Es
verhält sich ähnlich wie mit der Videoüberwachung: Sie verhindert
kaum Taten, nutzt aber, wenn es darum geht, den Täter zu finden und
seiner Strafe zuzuführen. Überdies ist es laut Experten schon jetzt
so, dass die zuständigen Jugendämter nach Inaugenscheinnahme eine
zusätzlich medizinische Untersuchung anordnen können, wenn sie
Zweifel am Alter des Betroffenen haben. Hier dürfte der eigentliche
Schlüssel im Kampf gegen den Missbrauch bei der Altersangabe liegen.
Mehr Personal und einheitlichere Vorgaben sind nötig, die
klarstellen, wann sich wer untersuchen lassen muss. Und kein
Generalverdacht. Es wäre jedenfalls weit über das Ziel hinaus
geschossen, jeden Flüchtling oder jeden unbegleiteten Jugendlichen
anlasslos vor die Röntgenröhre zu schieben. Das könnte sogar an
Körperverletzung grenzen. Die ganze Debatte weist indirekt übrigens
noch auf ein anderes Problem hin, das bisher kaum eine Rolle spielt.
Vor allem minderjährige Flüchtlinge haben Traumata von Krieg und
Flucht. Wer Aggressionen verhindern will, muss deshalb hier viel
stärker ansetzen. Das würde allen nützen.
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