13.02.2019 22:53:43
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Mittelbayerische Zeitung: Die Furcht vor Neuwahlen Von Reinhard Zweigler
Regensburg (ots) - Und plötzlich ist Angela Merkel "nur" noch die
Quartiermeisterin. Die Kanzlerin und Nicht-mehr-CDU-Vorsitzende
stellte der Abendrunde der Koalitionsspitzen gestern sozusagen
lediglich ihr Wohnzimmer zur Verfügung. Mit Annegret
Kramp-Karrenbauer und Markus Söder kamen für CDU und CSU auch gleich
noch zwei Neulinge in die illustre Abendgesellschaft ins Kanzleramt.
Und als ob das nicht schon genug des Neuen wäre, überraschte der
Koalitionsausschuss zudem noch mit bislang ungekannter Milde. Es
wurde gewissermaßen das Kontrastprogramm geboten zu den hitzigen und
quälend langen Runden, bei denen sich Seehofer und Merkel in der
Vergangenheit über die Flüchtlingspolitik stritten. Krisengipfel
waren gestern. Die Zeiten ändern sich - und die Akteure auch. Doch
das Bild des gestrigen Abends kann nicht darüber hinweg täuschen,
dass sich die Berliner Koalitionäre in wichtigen politischen Fragen
streiten wie die sprichwörtlichen Kesselflicker. SPD-Chefin Andrea
Nahles erschien mit einem ganzen Strauß von Vorschlägen für das neue
Sozialstaatskonzept ihrer Partei im Kanzleramt. Und als Schleife
darum gebunden: das Respekt-Grundrenten-Modell von Sozialminister
Hubertus Heil. Menschen, die über 35 Jahre für nur wenig Geld
gearbeitet haben, sollen im Alter mehr bekommen als die
Grundsicherung. Und zwar ohne dass ihre Bedürftigkeit in jedem
Einzelfall geprüft wird. Aber genau diese Bedürftigkeitsprüfung ist
der Knackpunkt, an dem die Union auf keinen Fall mitmachen wird.
Bereits im Vorfeld des gestrigen Treffens hatten Kramp-Karrenbauer,
Söder oder CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt kein gutes Haar
an Heils Rentenkonzept gelassen. Es schaffe nämlich neue
Ungerechtigkeiten, wenn etwa auch die Gattin eines gut verdienenden
Arztes die neue Grundrente bekäme, selbst wenn sie nur ein paar
Stunden täglich in der Praxis mitgeholfen habe, hieß es. Zudem sei
Heils Vorschlag schlicht nicht bezahlbar. Zwischen sechs und acht
Milliarden Euro müsse der Staat für die Respekt-Rente jedes Jahr
zuzahlen. Unbezahlbar, wetterte die Union. Doch was bei anderen
Koalitionsgipfeln mindestens zu einem mittelschweren Eklat geführt
hätte, wurde gestern ziemlich unaufgeregt einfach zur Kenntnis
genommen und abgehakt. Die SPD wird ihr Grundrenten-Modell in dieser
Form nicht durchbekommen. Aber auf der anderen Seite ist es in dieser
Wahlperiode ebenso Essig mit der völligen Abschaffung des
Soli-Zuschlages, den immerhin Parteitage von CDU und CSU vehement
gefordert haben. Es bleibt dabei, dass "lediglich" den 90 Prozent der
Steuerzahler mit niedrigen und mittleren Einkommen der Soli von den
Schultern genommen werden wird. Man sieht, der einst mit viel Mühe
ausgehandelte GroKo-Vertrag entfaltet ungeahnte Kraft. Für
Extrawürste ist da kein Platz, weder für die Union, noch für die SPD.
Und das ist gar nicht mal so schlecht, denn so werden teure
Kompromisse zu Lasten der Steuerzahler verhindert. Es ist jedenfalls
ein echter Fortschritt, dass die Profilierungsversuche von SPD-, aber
auch von Unions-Seite, das Tagesgeschäft der GroKo nicht weiter
stören. Überraschend einig sind sich die Koalitionsspitzen auch
darin, dass das schwarz-rote Bündnis bis zum Jahr 2021 halten muss.
Was beide Seiten zusammenhält, ist die Furcht vor vorgezogenen
Neuwahlen. Dabei drohte der SPD der schmachvolle Absturz auf Rang
vier, hinter Union sowie hinter Grüne und AfD. Aber auch den
Unionsparteien käme ein vorzeitiger Urnengang ungelegen, weil sie
dann aus dem Stand heraus die Kandidatenfrage entscheiden - und
schließlich Wahlkampf für die bundesweit immer noch relativ
unbekannte Annegret Kramp-Karrenbauer machen müssten.
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