04.12.2015 22:32:38
|
Mittelbayerische Zeitung: Beistand oder Wahnsinn? / Die große Mehrheit im Bundestag für den Einsatz in Syrien täuscht nicht über die tiefen Zweifel hinweg. Leitartikel von Reinhard Zweigler
Regensburg (ots) - Im Krieg verlieren alle, auch die Sieger,
besagt ein schwedisches Sprichwort. Gestern hat der Bundestag mit
einer überwältigenden Koalitionsmehrheit den Bundeswehreinsatz zur
Bekämpfung des islamistischen Terrors in Syrien beschlossen. Doch das
klare Votum täuscht darüber hinweg, dass viele Parlamentarier ihr Ja
mit erheblichem Bauchgrimmen, mit tiefen Zweifeln abgegeben haben. In
dieser Frage gibt es bei vielen eine innere Zerrissenheit. Im
Parlament, genauso wie im Rest der Bevölkerung. Man will etwas tun,
man muss etwas tun gegen die bestialisch mordenden IS-Krieger. Doch
was ist das Richtige? Auch der jetzige Bundeswehreinsatz, der aus
Bündnisräson gegenüber Paris zustande kam, wird von bohrenden Fragen
und tiefen Zweifeln begleitet. Zerrissen ist auch die
Bundesregierung. Einerseits kann sie sich nicht den drängenden Bitten
von François Hollande entziehen. Wenn Berlin in dieser Situation, in
der in Paris über 100 Menschen von Terroristen umgebracht wurden,
einfach die kalte Schulter zeigen würde, wäre das nicht nur
unsensibel, sondern würde auch das deutsch-französische Verhältnis
schwer belasten. Im Grunde stand eine deutsche Beteiligung an
französischen Maßnahmen gegen die Terrorbrut des Islamischen Staates
seit dem 14. November fest, als Angela Merkel Frankreich "jedwede
deutsche Unterstützung" versprach. Bei Gerhard Schröder hieß das 14
Jahre zuvor gegenüber den USA, die von den Anschlägen des 11.
September geschockt waren, "uneingeschränkte Solidarität". Nun also
Syrien. Die Kehrseite der Medaille des nun flott beschlossenen
Einsatzes kommt in Gestalt vieler Fragen und auch bitterer
Erfahrungen daher. Wie wirksam die Bomben gegen IS-Terroristen sein
können, ist unklar. Nach über einem Jahr alliierter Luftschläge
scheint der IS nicht wirklich getroffen. Er ist fast wie beim Drachen
in der Sage. Schlägt man ihm einen Kopf ab, wachsen gleich zwei nach.
Der islamistische Terrorstaat wurde aus einigen Gebieten wieder
vertrieben, die er brutal unter seine Kontrolle gebracht hatte,
richtig. Das geschah vor allem durch kurdische Peschmerga-Kämpfer am
Boden, unterstützt durch Kampfflugzeuge. Ein wirklicher "Sieg" gegen
die Dschihadisten scheint dennoch in weiter Ferne. Und er wird viele
Opfer kosten. Zudem sind die sogenannten Kollateralschäden durch
Luftschläge, also unschuldige getötete Zivilisten, Männer, Frauen,
Kinder, verheerend. Neben unerträglichem Leid führen sie dazu, dass
dem IS immer neue Köpfe zuwachsen. Seine Propagandamaschine läuft auf
Hochtouren. Völkerrechtlich steht der Bundeswehreinsatz, allen
Beteuerungen der Bundesregierung zum Trotz, auf wackligen Füßen. Man
kann zwar aus der angeführten UN-Resolution und dem Lissaboner
Vertrag eine gewisse Rechtfertigung herauslesen, doch eine wirkliche
Legitimation brächte nur ein Mandat des UN-Sicherheitsrats. Warum
wird das nicht viel vehementer angestrebt, auch wenn es verdammt
schwer wird? Der Wiener Friedensprozess für Syrien, der maßgeblich
von Deutschland initiiert wurde, kommt kaum von der Stelle. Doch
davon darf man sich nicht entmutigen lassen. Paris, Berlin, die EU
insgesamt müssen viel mehr Druck machen, damit auch die vielen
anderen Beteiligten am weitreichenden Syrien-Konflikt wirklich an
einer Friedenslösung mitarbeiten. Zurzeit verfolgt jeder dort - von
der Türkei über Saudi Arabien bis zum Iran und Russland seine eigenen
strategischen Ziele. Dass der politische, ökonomische und
militärische Kampf gegen die Halsabschneider des IS das einigende
Band für eine wirkliche Anti-Terror-Allianz sein könnte, ja muss,
haben viele noch nicht begriffen.
OTS: Mittelbayerische Zeitung newsroom: http://www.presseportal.de/nr/62544 newsroom via RSS: http://www.presseportal.de/rss/pm_62544.rss2
Pressekontakt: Mittelbayerische Zeitung Redaktion Telefon: +49 941 / 207 6023 nachrichten@mittelbayerische.de
Der finanzen.at Ratgeber für Aktien!
Wenn Sie mehr über das Thema Aktien erfahren wollen, finden Sie in unserem Ratgeber viele interessante Artikel dazu!
Jetzt informieren!
Wenn Sie mehr über das Thema Aktien erfahren wollen, finden Sie in unserem Ratgeber viele interessante Artikel dazu!
Jetzt informieren!