06.05.2015 16:13:45
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Ministerium skeptisch - Kaum Chance für Zwangsschlichtung
Von Stefan Lange
BERLIN (Dow Jones)--Die vor dem Hintergrund des Bahnstreiks erhobene Forderung nach einer Zwangsschlichtung hat offenbar keine Chance auf Umsetzung. Nachdem bereits mahnende Stimmen aus der Politik zu hören waren, zeigte sich am Mittwoch auch das zuständige Bundesarbeitsministerium in Berlin skeptisch. "Insgesamt glaube ich, dass es sehr problematisch ist, Zwangsschlichtungen vorzusehen", sagte ein Sprecher aus dem Hause von Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD). Es stelle sich auch hier die Frage, ob so etwas mit der Koalitionsfreiheit und der Tarifautonomie vereinbar sei.
Ministeriumssprecher Christian Westhoff betonte, dass sein Haus zu der konkreten Frage, ob die verpflichtende Schlichtung vor Aufnahme eines Streiks mit dem Grundgesetz vereinbar ist, noch keine eigenen Erkenntnisse habe. Er verwies jedoch darauf, dass im Gesetzentwurf zum Tarifeinheitsgesetz bereits ohnehin Gesprächsmöglichkeiten skizziert seien.
Kaum Raum für vorgeschaltete Schlichtung
"Es gibt bestimmte Konsultationsrechte, Nachzeichnungsrechte und so weiter", sagte Westhoff. Dies sei schon eine Form der Verständigung, die wiederum "ja auch Kern einer Schlichtung wäre", erklärte er. "Grundsätzlich kann ich sagen, dass dieser Gesetzentwurf mit seinen Mechanismen in der Systematik nicht unbedingt Raum lässt für eine eigene vorgeschaltete Schlichtung."
Unterm Strich dürfte die Forderung nach einer Zwangsschlichtung - zu den Befürwortern gehören CDU-Politiker wie Michael Fuchs oder Karl Schiewerling - damit kaum eine Chance haben, denn auch Politiker der Union halten solch ein Instrument für rechtlich problematisch. Fraglich ist auch, ob eine Zwangsschlichtung den seit Monaten schwelenden Tarifkonflikt zwischen Deutsche Bahn AG und Lokführergewerkschaft GDL beenden könnte, wie es einige Politiker nahelegen.
Denn erstens soll über das Gesetz zur Tarifeinheit, das eine solche Zwangsschlichtung regeln könnte, frühestens in zwei Wochen abgestimmt werden. Zweitens haben mehrere Gewerkschaften bereits Verfassungsklage gegen das Gesetz angekündigt. Eine Klageerhebung beim Bundesverfassungsgericht hat an sich jedoch grundsätzlich keine aufschiebende Wirkung.
Bundestag muss es richten
Westhoff verwies darauf, dass der Ball derzeit auf Seiten des Bundestages liege. "Wenn man dort zu der Überzeugung kommen würde, dass da noch was zu ändern wäre, dann wäre dort der Ort, das zu entscheiden", sagte er.
Der von Nahles vorgelegte Gesetzentwurf für ein Tarifeinheitsgesetz wurde bereits in erster Lesung im Bundestag beraten und war am Montag Gegenstand einer mehrstündigen Expertenanhörung. In zwei Wochen soll im Bundestag über das Gesetz abgestimmt werden.
Ziel des Gesetzes ist es, die Vielfalt an Tarifabschlüssen einzudämmen. Künftig soll in Betrieben mit mehreren Tarifverträgen grundsätzlich nur die Gewerkschaft das Sagen haben, die am meisten Mitglieder hat. Damit soll auch verhindert werden, dass sich weitere Berufsgewerkschaften gründen, die nur vergleichsweise wenig Mitglieder haben, mit einem Streik aber flächendeckend große Wirkung entfalten können, beispielsweise im Bahn- oder Flugverkehr.
"Auf keinen Fall"
Eine Zwangsschlichtung ist bisher nicht Bestandteil des Gesetzentwurfs. Nicht nur das SPD-geführte Arbeitsministerium sieht die Sache skeptisch, auch in der Union gibt es mahnende Stimmen. So erklärte die CSU-Landesgruppenvorsitzende Gerda Hasselfeldt bereits, nach Auskunft von Verfassungsexperten sei es "unmöglich, das im Rahmen des geltenden Grundgesetzes zu realisieren". Durch eine solche Regelung werde das Streikrecht eingeschränkt und verletzt. Auch Unions-Fraktionsgeschäftsführer Michael Grosse-Brömer mahnte zur Vorsicht.
Der bei der SPD zuständige Berichterstatter für das Gesetz zur Tarifeinheit, Bernd Rützel, erteilte der Zwangsschlichtung gar eine ganz klare Absage. "Es ist die einhellige Meinung: Auf keinen Fall eine Zwangsschlichtung", sagte Rützel zu Dow Jones Newswires. Das ganz normale Schlichtungsverfahren habe sich bewährt und werde seit Jahrzehnten in Deutschland erfolgreich praktiziert, erklärte der Abgeordnete, der 30 Jahre bei der Bahn arbeitete, bevor er ins Parlament einzog. Das Streikrecht sei ein hohes Gut, das von der Verfassung geschützt sei. "Man darf das Schwert des Arbeitnehmers nicht stumpf machen", bekräftigte der SPD-Politiker.
Mitarbeit: Christian Grimm
Kontakt zum Autor: stefan.lange@wsj.com)
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