20.08.2013 17:50:31

Milliardendeal in Deutschlands Immobilienbranche

   Von Christine Benders-Rüger und Eyk Henning

   In der deutschen Immobilienbranche steht ein Milliardendeal an, der einen neuen Branchenriesen mit gehöriger Schubkraft besonders in der Hauptstadt Berlin entstehen lassen könnte. Die Deutsche Wohnen plant, den Wettbewerber GSW Immobilien zu übernehmen und damit zu Deutschlands zweitgrößtem Wohnungsverwalter aufzusteigen. Experten trauen dem neuen Immobilienriesen sogar einen Aufstieg in den Dax zu.

   Bei ihrem Übernahmeangebot mittels Aktientausch bewertet die Deutsche Wohnen den Berliner Mitbewerber mit 1,75 Milliarden Euro. Die GSW will das Angebot zunächst prüfen und erst dann eine öffentliche Einschätzung abgeben. Sollten die Berliner zustimmen, wäre es der erste Zusammenschluss zweier börsennotierter Immobilienunternehmen in Deutschland - und ein Paukenschlag in dem von vielen Experten erwarteten Konsolidierungsprozess der Branche. Der Deal werde die Konsolidierung in der gesamten Branche vorantreiben, so Deutsche Wohnen-Vorstandschef Michael Zahn in einer Telefonkonferenz am Dienstag. "Es ist ein folgerichtiger Schritt - und wir werden ihn gehen."

   Die deutsche Immobilienbranche ist schon seit einiger Zeit in Bewegung. Das deutsche Betongold gilt als äußerst lukrativ und die Immobilienaktien werden nachgefragt. Die Aktien der Unternehmen haben sich im vergangenen Jahr schon massiv verteuert. Doch der Markt gilt als zersplittert. Mit einer gemeinsamen Marktkapitalisierung von rund vier Milliarden Euro avancieren Deutsche Wohnen/GSW zwar zum zweitgrößten Immobilienwert in Deutschland, liegen in Europa aber abgeschlagen auf Platz sieben, weit hinter Mitbewerbern wie der französischen Unibail Rodamco, der britischen Land Securities oder British Lands. Unter den größten fünf europäischen Immobilienwerten kommt keines aus Deutschland, der größten Wirtschaftsmacht des Kontinents.

   Doch das Übernahmeangebot der Frankfurter für die GSW zeige, dass sich die Branche hierzulande immer stärker bewege, urteilt Commerzbank-Analyst Thomas Rothäusler. Auch die zwei großen Börsengänge LEG und Deutscher Annington in diesem Jahr untermauerten diese Einschätzung. Strategisch macht die Fusion der beiden Unternehmen für die Experten ohnehin jede Menge Sinn. Denn die Branche ist ein Skalengeschäft. Bei entsprechend guter Größe könne ein Immobilienkonzern sein Geschäft effizienter managen und den Ertrag erhöhen, erklärt Rothäusler. Liegenschaften in unmittelbarer Nähe von einander lassen sich besser verwalten und Instand halten.

   Das trifft bei der Deutschen Wohnen und der GSW vor allem auf Berlin zu. Beide haben wesentliche Teile ihres Immobilienbestandes in der Bundeshauptstadt. Während bei der GSW stolze 99 Prozent ihrer Liegenschaften in der Hauptstadt liegen, sind es bei der Deutsche Wohnen immerhin noch 46 Prozent. Die Deutsche Wohnen AG rechnet daher auch mit jährlichen Einsparungen von 25 Millionen Euro, insgesamt will Vorstandschef Zahn mit dem Deal 430 Millionen Euro einsparen.

   Zusammen verwalten die beiden Unternehmen rund 150.000 Wohneinheiten mit einem Portfoliowert von geschätzt 8,5 Milliarden Euro. Mehr als 70 Prozent der Liegenschaften befinden sich in Berlin, jenem Immobilienmarkt, den die Analysten der Deutschen Bank als den "Hot Spot" im deutschen Häusermarkt bezeichnen - immerhin kann der Großraum Berlin täglich 115 Zuzügler begrüßen. In den nächsten Jahren rechnet Deutsche Wohnen damit, dass die Mieten in Berlin jährlich um 5,2 Prozent steigen, nach einem kumulierten Anstieg von 27,6 Prozent in den Jahren seit 2007, als der Immobilienboom im lange schlafenden Berlin einsetzte.

   Mit dem Deal wird die Fragmentierung des Marktes aber nicht unbedingt über Nacht beendet werden. Marktführer bleibt die Deutsche Annington mit mehr als 180.000 Wohneinheiten im Wert von 10,4 Milliarden Euro. Gagfah kommt auf bundesweit rund 145.000 Mietwohnungen und weiteren 35.000 für Dritte verwalteten Wohnungen. In diese Dimension stößt die Deutsche Wohnen nun auf einen Schlag vor. Ohne die GSW kommt sie bisher auf ein Portfolio von rund 90.600 Einheiten, hinzu kommen jetzt die rund 60.000 Wohnungen der GSW.

   Angesichts der Größe des neuen Konzerns dürfte sich der Deal auch auf die Notierungen an der Börse auswirken. Nach Einschätzung von DZ-Bank-Analysten wird mit der Fusion aus der Deutschen Wohnen mit der GSW einer der größten Werte im MDAX entstehen. Das Unternehmen sei sogar ein potenzieller Kandidat für den DAX. In die Karten spielt der Deutschen Wohnen/GSW dabei der hohe Streubesitz, der ein Kriterium bei der Indexaufnahme ist. Er liegt deutlich höher als etwa bei der Deutschen Annington, dem größten Immobilienwert Deutschlands.

   Dass es gerade die Deutsche Wohnen ist, die sich bei der Konsolidierung aus der Deckung traut, ist nicht wirklich überraschend. Schon in den letzten Monaten haben die Frankfurter ihren Expansionskurs fortgesetzt und Immobilienbestände gekauft. Die Experten von Close Brothers Seydler Research bescheinigten der Deutschen Wohnen AG bereits zum Jahresanfang aktive Konsolidierungsbemühungen. Analyst Felix Parmantier hatte vor einigen Monaten schon die GSW und TAG Immobilien als Übernahmeziele ausgemacht. Auch Gagfah hatte er auf dem Zettel. "Alle drei würden sehr gut ins Beuteschema der Deutschen Wohnen passen", glaubte er. Die TAG kommt auf ein Immobilienportfolio von derzeit 70.000 Einheiten und gilt wie die GSW mit ihren 60.000 Wohneinheiten als eher kleiner Mitspieler.

   An ein Ende des Booms im deutschen Immobilienmarkt glauben Experten nicht. So ist die Nachfrage nach Wohnraum sowohl bei Mietern als auch Investoren bis auf Weiteres größer als das Angebot - zumindest in den Metropolregionen. Als Zugpferd der europäischen Konjunktur zieht Deutschland immer mehr Zuwanderer an. Analysten der Deutschen Bank rechnen vor allem mit einer Zuwanderung aus der kriselnden europäischen Peripherie sowie aus Osteuropa. Die Nachfrage nach Wohnungen nimmt also zu - insbesondere in München, den angesagten Ecken von Berlin sowie in Frankfurt, Hamburg und Köln. Verschärft wird die Situation dadurch, dass in den meisten Metropolregionen in den vergangenen Jahren zu wenig neuer Wohnraum geschaffen wurde. Mieter müssen daher immer tiefer in die Tasche greifen, um sich ihr Traumapartment zu sichern.

   Ändern wird sich daran erst mal nicht viel. Der deutsche Markt gilt auch bei ausländischen Investoren als sicherer Hafen. Und zwar einer, der bislang noch gar nicht richtig angesteuert wurde. Eine Umfrage von Ernst & Young Real Estate von vor einigen Monaten unter europäischen Immobilieninvestoren ergab, dass 99 Prozent der Befragten Deutschland im Vergleich zu seinen Nachbarländern als einen attraktiven oder sehr attraktiven Markt einschätzen.

   Für die Immobilienaktien mit den MDAX-Werten Deutsche Wohnen Gagfah, GSW und TAG sind das gute Vorzeichen. Sie hatten im vergangenen Jahr schon einen außerordentlich guten Lauf und verzeichneten Kurssprünge von 40 Prozent bis 150 Prozent. In diesem Jahr hat sich die Dynamik allerdings etwas abgeschwächt. Aktien von Deutsche Wohnen treten seit Jahresbeginn 2013 auf der Stelle, bei den anderen Papieren reichen die Kursgewinne noch bis zu 10 Prozent. Das liegt aber hauptsächlich daran, dass die Finanzinvestoren mittels Börsengang oder Platzierung ihre Beteiligungen zurück fahren und Kasse machen.

   "Ich würde die aktuelle Entwicklung nicht als einen breit angelegten Ausstieg aus der Assetklasse Immobilien ansehen", erklärt Manuel Martin, Analyst bei Close Brothers Seydler Research. Vielmehr sieht er einen Wandel bei den Investoren. "Es gibt Anlegergruppen wie Versicherungen und Pensionsfonds, die gehen in Immobilien." Mit ihrem Überraschungscoup hat die Deutsche Wohnen am Dienstag vor allem die Aktionäre von GSW erfreut. Der Aktienkurs von GSW gewinnt 7,9 Prozent, während der Bieter Deutsche Wohnen mit 3,7 Prozent Federn lassen muss.

   Mitarbeit: Hans-Joachim Koch

   DJG/cbr/kla/kgb

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   August 20, 2013 11:19 ET (15:19 GMT)

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