MAN-Schließung in Steyr 19.04.2021 18:01:00

MAN-Aktie steigt: Wifo sieht bundesweit 5.900 Jobs bedroht - Verhandlungen über Sozialplan haben begonnen

MAN-Aktie steigt: Wifo sieht bundesweit 5.900 Jobs bedroht - Verhandlungen über Sozialplan haben begonnen

Studienautor Gerhard Streicher vermisst - ebenso wie die Vertreter der Arbeiterkammer - eine Industrie-Strategie in Österreich, etwa im Hinblick auf den Klimawandel, wie er bei der Präsentation seiner Prognose im Rahmen einer Online-Pressekonferenz am Montag sagte.

Die Kfz-Industrie in Österreich habe traditionell eine hohe Produktivität, eine große Wertschöpfung und biete gut bezahlte Jobs, führte Streicher aus. In der Region Steyr sei die Branche im Wesentlichen von den zwei Unternehmen MAN und BMW getragen. Insgesamt würden derzeit rund 6.000 Leute - das sei ein Viertel der Beschäftigten in Steyr bzw. jeder sechste Mitarbeiter der österreichischen Kfz-Industrie - dort Arbeit haben. 37 Prozent seien Einpendler, meist aus den Bezirken Steyr-Land und Amstetten. Mit jeder Milliarde, die in der Steyrer Autoindustrie erwirtschaftet werde, seien 5.500 Jobs verbunden: 1.700 direkt in der Branche, weitere 1.600 bei Zulieferern und 2.200 durch induzierte Effekte. Bundesweit seien somit fast 20.000 Jobs mit der Autoindustrie in der Region verknüpft.

Konkret auf MAN bezogen geht das Wifo auf Basis der Zahlen von 2016 bis 2018 - im Schnitt 2.100 Beschäftigte und 1,1 Mrd. Umsatz - davon aus, dass Lohnkosten von 170 Mio. Euro eine geschätzte Wertschöpfung von 280 Mio. Euro gegenübersteht. Durch indirekte Effekte hängen gemäß den Berechnungen weitere 1.800 Beschäftigte im Zulieferbereich in ganz Österreich daran, die eine Wertschöpfung von rund 350 Mio. Euro generieren. Inklusive induzierter Effekte - also Konsum- oder Investitionseffekte - kommt das Wifo auf 5.900 Beschäftigte bundesweit, die mit dem Werk in Steyr verbunden sind und bei einer Schließung wackeln würden, davon 55 bis 60 Prozent in den Bezirken rund um Steyr. Das ist etwas niedriger als die Prognose der Initiative Wirtschaftsstandort Oberösterreich, die 8.400 bedrohte Jobs erwartet.

Was die weiteren Chancen der betroffenen MAN-Mitarbeiter am Arbeitsmarkt angeht, so sieht Streicher zwar eine an sich recht gute Lage für diese Berufe, aber bei weitem zu wenige freie Stellen für den Fall einer Unternehmensschließung. Hinzu komme, dass viele potenzielle Arbeitgeber selbst als Zulieferer von der Autoproduktion abhängig sind.

Der oberösterreichische AK-Präsident Johann Kalliauer pochte darauf, der MAN-Belegschaft nach ihrem ablehnenden Votum zur Übernahme des Werks durch Siegfried Wolf "nicht den Schwarzen Peter zuzuspielen". Auch die Diskussion um eine Verstaatlichung halte er für "extrem verkürzt", denn eine staatliche Beteiligung habe nur Sinn, wenn es auch eine Strategie dazu gebe. Aber es wäre "sehr verlockend", das als Anlass zu nehmen, einen Veränderungsprozess anzustoßen, so Kalliauer.

Verhandlungen über Sozialplan haben begonnen

In Steyr haben am Montag die Verhandlungen über einen Sozialplan für die MAN-Belegschaft begonnen. Betriebsrat Helmut Emler berichtete im Anschluss daran von einem "grundsätzlich positiven Gesprächsklima", allerdings hätte er statt des Steyrer Managements lieber auch Eigentümervertreter aus München - "die wirklichen Entscheidungsträger" von MAN, TRATON oder VW - mit am Tisch gehabt. Im Mai wird weiterverhandelt.

Am Montag habe zunächst das Unternehmen seine Vorstellungen präsentiert, in einem nächsten Schritt wird die Belegschaftsvertretung ihre übermitteln. Am 5. Mai soll dann erneut darüber gesprochen werden, skizzierte Emler den Fahrplan. Vorerst gehe es einmal um Rechtssicherheit. Denn ein Knackpunkt sind die unterschiedlichen Auffassungen darüber, ob die Standortgarantie, die MAN aufgekündigt hat, immer noch gültig ist. Die Belegschaftsvertretung geht schon davon aus, "dann bräuchte man auch keinen Sozialplan". Rückenwind bekam die Gewerkschaft hier in der Vorwoche durch eine Einschätzung des Linzer Zivilrechtlers und JKU-Rektors Meinhard Lukas, der die Rechtsauffassung vertritt, dass im Falle einer Schließung Kündigungsentschädigungen bis zum Jahr 2030 fällig werden. Dabei könne es sich um Milliardenbeträge handeln. Die von MAN genannten Einsparungen von 80 Mio. Euro durch eine Produktionsverlagerung von Steyr nach Polen würden sich laut dem Betriebsrat dann erst in 15 Jahren rechnen.

Emler will über "einen Sozialplan mit doppelter Freiwilligkeit", wie er bei MAN in Deutschland gelte, reden. Damit meint er, dass zum einen Arbeitnehmer nur von sich aus das Werk verlassen sollen. Zum anderen dürfe mit dem Sozialplan nicht die Schließung des Werks verbunden sein. Emler kreidet es MAN auch an, dass kurz vor der Abstimmung in Steyr ein Sozialplan für die deutschen Beschäftigten präsentiert worden sei, der wesentlich besser sei als das, was man in Österreich geboten habe. Da dürfe man sich über das negative Votum der Belegschaft auch nicht wundern. Er nehme hier auch "ganz besonders VW in die Pflicht. Aber diese Brücke ist eingerissen worden", zeigt er sich enttäuscht über den Konzern und dessen Mutter.

Die MAN-Aktie gewann am Montag im XETRA-Handel schließlich 1,42 Prozent auf 57,10 Euro.

(Schluss) ver/inn/itz

APA

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Bildquelle: MAN

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