25.08.2023 22:16:40
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Lagarde: Inflationsbekämpfung könnte schwieriger werden
Von Hans Bentzien
FRANKFURT/JACKSON HOLE (Dow Jones)--Zentralbanken könnten nach Aussage von EZB-Präsidentin Christine Lagarde durch veränderte wirtschaftliche Rahmenbedingungen wie den Klimawandel, die Energiewende und eine Neuausrichtung von Lieferketten mehr Schwierigkeiten bei der Inflationsbekämpfung bekommen. "Wir werden wahrscheinlich mehr Schocks von der Angebotsseite sehen", sagte Lagarde laut veröffentlichtem Redetext beim geldpolitischen Symposium in Jackson Hole.
Angebotsschocks können ihrer Ansicht nach verstärkt durch den Klimawandel ausgelöst werden, durch die weltweite Veränderung des Energiemixes (Öl- und Gasangebot weniger elastisch, Erneuerbare noch nicht ausgereift), durch die Verlagerung von Lieferketten ins Inland bzw. in verbündete Staaten und durch eine hohe Investitionsnachfrage durch die Energiewende, digitale Transformation und Verteidigungsbedürfnisse.
"Wenn die Investitionsnachfrage zunimmt und sich zugleich die Angebotseinschränkungen verschärfen, dann werden wir wahrscheinlich einen stärkeren Preisdruck auf den Rohstoffmärkten sehen, besonders bei Metallen und Mineralien, die für die grüne Technologien nötig sind", gab Lagarde zu bedenken.
Lagarde zufolge kann es sein, dass Preisanstiege in wachsenden Sektoren nicht durch sinkende Preise in schrumpfenden Sektoren ausgeglichen werden können, weil sich die Nominallöhne dort nicht nach unten anpassen. "Die Aufgabe der Zentralbanken wird es sein, die Inflationserwartungen zu verankern, so lange diese relativen Preisanpassungen ablaufen", sagte sie.
Das wiederum könnte durch zwei Veränderungen kompliziert werden:
1. In Zeiten niedriger Inflation hatten Unternehmen Angst, ihre Preise anzuheben, weil sie einen Verlust von Marktanteilen fürchteten. Unter dem Einfluss der breiten Schocks in der Pandemie wurden Preisanpassungen aber wahrscheinlicher und größer.
2. Die Enge des Arbeitsmarkts verbessert die Verhandlungsposition der Arbeitnehmer. Aufholbewegungen bei Löhnen können zu einem anhaltenden Inflationsprozess führen.
Beide Faktoren könnten vorübergehender Natur sein, aber das ist nicht sicher.
Lagarde sagte: "In diesem Umfeld müssen wir sehr genau darauf achten, dass sich die größere Volatilität der relativen Preise nicht in die mittelfristige Inflation einschleicht, indem die Löhne wiederholt den Preisen 'hinterherlaufen'. Das könnte die Inflation hartnäckiger machen, wenn die erwarteten Lohnerhöhungen in die Preisentscheidungen der Unternehmen einfließen und zu einer Inflation führen, die ich als "tit-for-tat" bezeichnet habe."
Eine in diesem Umbruchzeiten erfolgreiche Geldpolitik muss nach Aussage der EZB-Präsidentin drei Merkmale haben: Klarheit, Flexibilität und Demut.
1. Klarheit über das Ziel und das Bekenntnis, es zu erreichen
2. Flexibilität in der Analyse: Als Beispiel nannte Lagarde die drei Kriterien, an denen die EZB ihre Geldpolitik ausrichtet (Inflationsausblick, unterliegende Inflation, Stärke der geldpolitischen Transmission) "Mit Blick auf die Zukunft erwarte ich, dass diese Art von "vielbeinigem" Ansatz notwendig sein wird, um die Politik effektiv zu kalibrieren. Aber wir werden diesen Prozess auch verbessern müssen, indem wir unsere Modelle und Prognosetechnologien regelmäßig aktualisieren, und durch eine genauere Analyse der Variablen, die als beste Frühindikatoren fungieren."
3. Demut: "Während wir uns weiterhin bemühen müssen, unser Bild von der mittelfristigen Entwicklung zu schärfen, sollten wir uns auch über die Grenzen dessen im Klaren sein, was wir derzeit wissen und was unsere Politik erreichen kann. Wenn wir unsere Glaubwürdigkeit in der Öffentlichkeit aufrechterhalten wollen, müssen wir über die Zukunft in einer Weise sprechen, die der Unsicherheit, mit der wir konfrontiert sind, besser Rechnung trägt."
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