Wifo/IHS |
08.10.2021 17:16:00
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Konjunkturexperten: Wirtschaft wächst 2021/22, aber Corona dämpft Effekt
Seit dem Frühjahr hat die heimische Wirtschaft überraschend kräftig an Fahrt gewonnen, sodass schon im Juli wieder das Vorkrisenniveau erreicht war, erklärte das Institut für Höhere Studien (IHS) am Freitag. Im zweiten Quartal wuchs die heimische Wirtschaft noch äußerst kräftig, ab August schwächten sich die Zuwächse aber wieder ab. In bestimmten Dienstleistungsbranchen wird durch COVID die Wertschöpfung erneut gebremst, meint das Wifo. Insgesamt werde der Konjunkturaufschwung aber äußerst stark sein.
Nach 6,7 Prozent Einbruch im Vorjahr geht das Wifo für heuer und 2022 von 4,4 und 4,8 Prozent Realwachstum aus, das Institut für Höhere Studien (IHS) rechnet mit je 4,5 Prozent BIP-Plus. Für heuer wurde damit die Wachstumsprognose nach oben gesetzt, für 2022 leicht nach unten revidiert, sagte der Wifo-Prognoseverantwortliche Stefan Schiman. Grund für die Aufwärtsrevision sei das unerwartet gut verlaufene erste Halbjahr, vor allem das zweite Quartal. Fürs dritte Quartal geht man schon wieder von weniger Wachstum aus und fürs vierte sogar von einem BIP-Rückgang. Die Abschwächung im zweiten Halbjahr ergebe sich aus der vierten COVID-Welle. Mit einem gedämpften Winter werde sich die Abschwächung ins Jahr 2022 fortsetzen, ehe dann im Frühjahr ein Rebound komme. Hinter der auf den ersten Blick hohen Dynamik würden sich unterjährig also sehr hohe Konjunkturschwankungen verbergen, so Schiman.
"Die geänderten Annahmen über den weiteren Verlauf der Pandemie erfordern auch eine Anpassung unserer Prognose für 2022", heißt es beim Wifo in den Erläuterungen: Für das erste Quartal geht man dort nun von einer Stagnation aus, auf die im Sommerhalbjahr 2022 eine kräftige Erholung folgen sollte. Die nun bevorstehende vierte COVID-Welle dürfte vor allem Gastronomie und Hotellerie treffen, heißt es.
"Das könnte ein schwieriges Winterhalbjahr werden - es könnte eine Konjunkturabschwächung geben", formulierte es vor Journalisten Wifo-Chef Felbermayr, der Anfang Oktober Christoph Badelt nachgefolgt ist. Das Jahr 2022 fange mit einem starken statistischen Überhang an, die Wachstumsraten würden sich normalisieren und die Wachstumsdynamik auf einen normalen Konjunkturmodus zurückgehen. "Wir kommen auf ein eher schwaches Wachstum zurück, das Österreich vor der Krise gehabt hat."
"Die Arbeitsmarktsituation ist überraschend gut", sagte Felbermayr. Allein von Jänner bis September sei die Arbeitslosigkeit in Österreich um 200.000 Personen gesunken - "in den letzten 48 Jahren gab es noch nicht so viele freie Stellen". Am Arbeitsmarkt wird die zügige Erholung durch die vierte Corona-Welle zwar etwas abgebremst werden, dennoch sollte die Arbeitslosenquote im Jahresschnitt - nach den hohen 9,9 Prozent im Vorjahr - nach Meinung beider Institute heuer beinahe bis auf 8 Prozent sinken und kommendes Jahr auf unter 7 1/2 Prozent zurückgehen.
Die Arbeitslosigkeit sinkt den Experten zufolge rasch. Der dynamische Konjunkturaufschwung führe am Arbeitsmarkt zu einer "beispiellosen Erholung", sagt das Wifo. Der Abwärtstrend der Arbeitslosigkeit seit Anfang 2021 werde in den kommenden Monaten nur vorübergehend unterbrochen werden. Im kommenden Winterhalbjahr werde die Arbeitslosigkeit im Zuge der vierten COVID-Welle zwar wieder etwas zunehmen, auf Jahressicht aber zurückgehen.
Zur Inflation gehen die Erwartungen auseinander. Zwar rechnen beide Institute für heuer mit einer höheren Teuerung von 2,8 (Wifo) bzw. 2,6 Prozent (IHS), für 2022 sieht das Wifo einen weiteren Anstieg auf 3 Prozent, das IHS nur 2,3 Prozent. Der heurige Anstieg auf 2,6 Prozent sei großteils durch den Preisanstieg bei importierten Gütern wie Energie oder Halbleiter zu erklären, sagte Reiter vom IHS. Weil es um eingeführte Güter gehe, führe dies zu einem realen Einkommensverlust. Mit hohen 3 Prozent Teuerung 2022 rechnet das Wifo laut Felbermayr, weil die Lieferkettenprobleme nicht so schnell abebben, weil es eine starke Energiepreisdynamik gebe und weil die Entwicklung bei den Nominallöhnen durch gute KV-Abschlüsse stark sei. Von Energiepreisdeckelungen, wie sie Frankreich plant, rät der Wifo-Chef ab: Der Energiemarkt sei in Österreich anders, die Verträge seien längerfristiger, der Großhandelspreis schlage nicht so rasch durch. Man könnte sich aber eine temporäre Mehrwertsteuersenkung überlegen. Als eher überlegenswert bezeichnete er auch Transfers an Menschen, die unter Energiearmut leiden: "Es kann nicht sein, dass Wohnungen in Österreich kalt bleiben."
Sollten sich neue resistente Virusvarianten bilden, würde dies den Aufschwung erheblich belasten, so das IHS. "Die Pandemie ist nicht vorbei - aber die Abhängigkeit der Wirtschaft davon ist viel schwächer geworden und sie wäre bei einer höheren Impfquote noch geringer", sagte IHS-Ökonomie-Leiter Michael Reiter. Auch lang andauernde Lieferkettenprobleme könnten die Erholung bremsen. Ein weiteres Risiko sieht man im Rohstoffpreisanstieg, weil höhere Inflationserwartungen eine Straffung der Geldpolitik erfordern könnten.
Auch auf die Probleme am chinesischen Immobiliensektor verweist das IHS als mögliche Gefährdung. Wifo-Chef Felbermayr hält es für möglich, dass die Immobilienprobleme in China das Wachstum des Landes etwas schwächen, das mittlerweile ein extrem wichtiger Treiber der Weltkonjunktur geworden sei - auch über indirekte Handelsströme, etwa über Deutschland auch für Österreich.
Das Budgetdefizit des Gesamtstaates sehen die Experten nach dem hohen Minus von 8,3 Prozent des BIP im vorigen Jahr nun schrittweise sinken - heuer auf 6,3 (Wifo) bzw. 6,7 Prozent (IHS) und kommendes Jahr weiter auf 1,9 (Wifo) bzw. 2,8 Prozent (IHS). Anders als in normalen Konjunkturzyklen sei eine konjunkturstabilisierende antizyklische Fiskalpolitik seit Ausbruch der Pandemie kaum möglich, da die Wertschöpfungsverluste bewusst in Kauf genommen würden, um gesundheitspolitische Ziele zu erreichen, so das Wifo.
Die geplante Steuerreform, speziell die Ökologisierung mit der CO2-Bepreisung, begrüßen beide Institute. Jedoch sollte die regionale Klimabonus-Differenzierung nach fünf Jahren auslaufen, wenn der Übergang auf den europäischen Emissionshandel erfolgen solle - damit am Land die Siedlungsstruktur angepasst werde, so Felbermayr. Er begrüßte den Einstieg in die CO2-Bepreisung, auch wenn die Höhe der Preise etwas schwächer ausgefallen sei. Reiter betonte, der regionale Klimabonus sollte keine falschen Anreize setzen, also nicht etwa Gemeinden, die Öffi-Verbindungen ausbauen, bestrafen, indem der Bonus dort womöglich dann abgesenkt wird.
sp/tsk/cs
APA
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