19.02.2013 13:49:31
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Koalition plant Griff in die Haushaltstrickkiste
Susann Kreutzmann und Andreas Kissler
BERLIN--Arbeitnehmer können sich im Wahljahr möglicherweise auf weitere Entlastungen einstellen. Sie sind aber nicht der Gutherzigkeit der Koalition geschuldet, sondern ein Nebeneffekt aus den Haushaltsverhandlungen. In Koalitionskreisen wird intensiv beraten, wie im Haushalt 2014 eine "strukturelle Null" erreicht werden kann.
CDU/CSU und FDP haben sich verpflichtet, im kommenden Jahr einen strukturell ausgeglichenen Haushalt vorzulegen. Bis zu diesem Ziel fehlen vier Milliarden Euro. Doch die Stellschrauben sind begrenzt, könnten die Bürger dennoch ungewollt entlasten.
Um zwei Milliarden Euro soll der Zuschuss in den Gesundheitsfonds gekürzt werden, auch wenn dies offiziell noch nicht bestätigt wird. Jetzt wird in der Koalition gestritten, wo ein weiterer Sparbeitrag herkommen kann. Vieles deutet auf einen Griff in die Rentenversicherung hin, denn diese hatte zum Jahresende ein Plus von 30 Milliarden Euro angehäuft. Hier winkt auch der erfreuliche Nebeneffekt für alle Arbeitnehmer: Das würde mit einer Absenkung des Rentenbeitragssatzes einhergehen, denn beide Gesetze sind aneinander gekoppelt.
In der Koalition wird die Senkung der Sozialbeiträge als wahrscheinliche Variante diskutiert. "Es macht ja auch keinen Sinn, dass die Rentenversicherung so viel Geld auf der hohen Kante hat, was aufgrund der Zinssituation nur verbrannt würde", heißt es dazu aus der FDP-Fraktion. Zudem ist eine Senkung des Rentenbeitragssatzes auf Linie der Liberalen, die mit Versprechen, die Arbeitnehmer zu entlasten, in die Regierung eingetreten sind.
Jährlich überweist der Bund rund 82 Milliarden Euro an die Rentenkasse, etwa 60 Milliarden Euro sind eine reine Zuschusszahlung. Vor allem in konjunkturell guten Zeiten sei das zu viel, monieren Haushaltspolitiker. Würde jetzt der Beitragssatz um einen Punkt auf 17,9 Prozent gesenkt, ergäbe das Einsparungen am Bundeszuschuss von rund 1,8 Milliarden Euro.
Zusammen mit den Einsparungen beim Gesundheitsfonds hätte die Koalition damit ihr Vier-Milliarden-Sparziel fast erreicht. Im Finanzministerium wurde der Plan allerdings mit Zurückhaltung aufgenommen. "Das ist kein Vorschlag aus dem Bundesfinanzministerium", stellte ein Sprecher klar. Finanzminister Wolfgang Schäuble will am 20. März die Eckpunkte für den Haushalt 2014 vorstellen. Spätestens dann ist klar, ob und wie ein strukturell ausgeglichener Haushalt erreicht werden soll.
Doch auch in der Union werden die Pläne der Haushälter mit Argwohn betrachtet. Erst zu Jahresbeginn wurde der Rentenbeitragssatz um 0,7 Punkte auf 18,9 Prozent des Bruttolohns gesenkt. Sozialexperten aus der CDU/CSU-Fraktion plädieren vor allem angesichts der zunehmenden Alterung der Gesellschaft für einen langfristig stabilen Beitragssatz. Der CDU-Sozialexperte Peter Weiß schlägt vor, die gute Kassenlage vor allem mit Blick auf den demografischen Wandel für eine höhere Mindestreserve in der Rentenversicherung zu nutzen.
Auch die Grünen lehnten den Griff in die Sozialkassen kategorisch ab. "Der Vorschlag ist insgesamt absurd", sagt ihre Haushaltsexpertin Priska Hinz dem Wall Street Journal Deutschland. Da sich die Regierung nicht in der Lage sehe, tatsächliche Reformen und dauerhafte Einsparungen vorzunehmen, wolle sie "wieder an die Sozialversicherungen heran", kritisierte sie und fügte hinzu: "Das ist ein klassischer schlechter Kompromiss, der da jetzt ausgedealt wird."
Nach geltendem Gesetz muss der Rentenbeitrag automatisch sinken, wenn die Rücklage mehr als eineinhalb Monatsausgaben übersteigt. Die Rentenversicherung musste schon mehrfach zum Stopfen von Haushaltslöchern herhalten. Bis Anfang der 90er-Jahre galt eine Rücklage von drei Monatsbeiträgen als Grenze. 1992 wurden die Finanzreserven dann auf nur noch eine Monatsausgabe reduziert, um eine kurzfristige Beitragssenkung zu erreichen. Schließlich schmolz sie auf wenige Tagesausgaben. Die große Koalition erhöhte die Grenze dann wieder auf eineinhalb Monatsausgaben.
Kontakt zu den Autoren: Susann.Kreutzmann@dowjones.com und Andreas.Kissler@dowjones.com
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February 19, 2013 07:19 ET (12:19 GMT)
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