"Verflixtes Jahr" |
16.06.2020 18:19:00
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Kapsch TrafficCom: Verlust in "verflixtem Jahr" 2019/20 - Aktie dennoch mit Kurssprung
Das Betriebsergebnis (EBIT) brach von positiven 57,0 Mio. Euro auf minus 39,2 Mio. Euro ein - das war seit April bekannt. Für 2020/21 geht Kapsch aber von einem "klar positiven EBIT" aus, wie er in einer Aussendung erklärte. Der Verlust fiel mit 3,70 Euro je Aktie (nach 3,68 Euro je Aktie Gewinn) massiver aus als Mitte Juni von Erste-Group-Analysten erwartet, die von 2,61 Euro Minus ausgegangen waren. Die Titel notierten zuletzt bei 18,75 Euro. Der Hauptversammlung wird die Kürzung der Dividende von 1,50 Euro auf 0,25 Euro je Aktie vorgeschlagen.
Der Geschäftsbericht listet 41 Mio. Euro einmalige Negativeffekte auf, die 2019/20 belasteten, allen voran -27 Mio. Euro durch Wertminderungen und Wertberichtigungen im Segment Intelligente Mobilitätslösungen (ISM), primär wegen neuer Einschätzungen zum Geschäftsverlauf in Sambia.
Die Kündigung des deutschen Pkw-Mautauftrags ("Infrastrukturabgabe") schlug mit -9 Mio. Euro zu Buche, weitere -3 Mio. Euro kamen vom Aus für die US-Konzerngesellschaft Streetline und -2 Mio. vom Ende des Mautprojekts in Tschechien. Zum deutschen Pkw-Mautprojekt, das im Juni 2019 vom EuGH für EU-rechtswidrig erklärt und darauf von Deutschland gekündigt wurde, hat das Konsortium von Kapsch TrafficCom und CTS Eventim (50:50) im Dezember gemeinsam Ansprüche von 560 Mio. Euro gegenüber Deutschland geltend gemacht; weil der zuständige Minister den Anspruch bestritt, ist die Causa vor einem Schiedsgericht zu klären. Das könne "mehrere Jahre dauern", so Kapsch.
Den Umsatz hielt Kapsch TrafficCom 2019/20 mit 731 Mio. nach 738 Mio. Euro beinahe, obwohl mit dem geplanten landesweiten Mautsystem in Tschechien und dem Aus für die deutsche Maut zwei Großprojekte wegfielen. Im Mautsegment (ETC), das drei Viertel der Umsätze stellt, legten die Erlöse leicht auf 564 (558) Mio. Euro zu, bei IMS sanken sie um knapp sieben Prozent auf 168 (179) Mio. Euro.
Die EBIT-Belastung resultierte neben den erheblichen Einmaleffekten auch aus operativen Herausforderungen, die zu massiven Kosten geführt hätten, heißt es im Geschäftsbericht. "Wir mussten uns öfter als sonst neuen und teils ungewöhnlichen Herausforderungen stellen", so Unternehmenschef Kapsch. Die Auswirkungen von Covid-19 auf das Geschäft seien noch nicht quantifizierbar. Derzeit sehe man nur einen geringen Einfluss - in einigen Regionen komme es aber zu Verschiebungen. "Ich gehe davon aus, dass 2020/21 besser als das vorangegangene Geschäftsjahr wird und wir wieder ein klar positives EBIT erwirtschaften werden", so Kapsch.
Viele der zuletzt belastenden Herausforderungen seien schon beseitigt und weiterhin ökonomisch belastende Faktoren bekannt, heißt es im Ausblick: etwa die Personalknappheit in Nordamerika, die wohl bis Ende 2020 andauern werde, und Mehraufwände bei der Implementierung neuer Software, die wahrscheinlich bis ins erste Halbjahr anfallen würden. Zugleich müsse man den Wegfall des landesweiten Mautprojekts in Tschechien - mit einem hohen Umsatz- und Ergebnisbeitrag - seit Ende November 2019 kompensieren. In den USA rolle man einen neuen Mobilitätsdienst aus, der es Autofahrern ermögliche, Maut mithilfe eines Mobiltelefons zu bezahlen. Dafür seien in den letzten Jahren Entwicklungskosten angefallen. Das Management wolle auch in den Geschäftsjahren 2020/21 und 2021/22 weiter in den Ausbau dieses Service investieren. Im Gegenzug werde in den Folgejahren ein merklicher Umsatz- und Ergebnisbeitrag erwartet.
Kein rasches Ende im Mautstreit mit Berlin
Kapsch TrafficCom rechnet nach der Kündigung des deutschen Pkw-Maut-Vertrags nicht mit einer raschen Klärung der Streitpunkte mit Berlin. "Diesen Sommer oder Herbst erwarte ich kein Ergebnis, das dauert sicher länger", sagte CEO Georg Kapsch am Dienstag. Es wäre der größte Auftrag der Firmengeschichte gewesen, nun kämpft man um Schadenersatz.
Im Juni 2019 hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH) die deutschen Pkw-Mautpläne für EU-rechtswidrig erklärt, worauf Deutschland den Vertrag mit dem Konsortium von Kapsch TrafficCom und CTS Eventim (50:50) kündigte. Im Dezember machten die Partner zusammen Ansprüche von 560 Mio. Euro gegenüber Deutschland geltend. Da der zuständige Minister den Anspruch bestritt, ist ein Schiedsgericht am Zug. Das könne "mehrere Jahre dauern", so Kapsch. Von 40 Mio. Euro Einmalbelastung für Kapsch im Jahr 2019/20 entfielen allein 9 Mio. Euro auf das Aus für diesen Mautvertrag.
CEO Kapsch blickt indes - nach einem herben Verlustjahr - optimistisch in die Zukunft und will dem Unternehmen mit weltweit 5.000 Mitarbeitern über den Sommer eine neue Strategie verpassen. Dem Verkehr und der Maut werde man treu bleiben und hier die Aktivitäten sogar noch stärker auch Richtung B2B und B2C ausdehnen, mit Ticketing- und Maut-Abbuchungssystemen in Europa, aber auch Nordamerika, wie der Firmenchef im Online-Bilanzpressegespräch am Dienstag sagte. In Europa bietet man von Deutschland aus Pkw-Onboard-Units für Reisen in süd- und westeuropäische Länder an, die das Anstellen bei Mautstellen ersparen sollen. In den USA hat man vor zwei Monaten ein "Upload" genanntes Maut-Abbuchungssystem gestartet. Kapsch: "Wir hatten Pech, weil wir genau in die Coronazeit hineinkamen mit 60 bis 70 Prozent weniger Verkehr - wir sehen da aber gute Chancen." Kapsch fungiert dabei als single account, kompatibel mit verschiedenen Betreibern. Und als drittes gebe es noch das Lkw-Geschäft. Urbanisierung und Mobilität würden durch Corona keinen Rückschlag erleiden, deshalb wolle man die Verkehrssteuerung in Städten forcieren. Ob die neue Strategie auf Akquisitionen hinauslaufe oder auf organisches Wachstum, lasse sich jetzt noch nicht sagen.
Im Wiener Handel legte die Kapsch-Aktie um 3,47 Prozent zu und schloss bei 19,40 Euro.
APA
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