Geldsegen 06.07.2023 17:55:00

Kapsch-Aktie bricht dennoch zweistellig ein: Millionenzahlung wegen deutscher Pkw-Maut rettet Bilanz von Kapsch TrafficCom

Kapsch-Aktie bricht dennoch zweistellig ein: Millionenzahlung wegen deutscher Pkw-Maut rettet Bilanz von Kapsch TrafficCom

Nach der geplatzten Pkw-Maut in Deutschland hat die Betreibergesellshcaft autoTicket, an der Kapsch zur Hälfte beteiligt ist, im Schiedsverfahren gegen die Bundesrepublik 243 Mio. Euro zugesprochen bekommen. Nach Abzug diverser Kosten sollen Kapsch davon mindestens 80 Mio. Euro fließen.

"Über den Vergleichsvorschlag haben wir mit unseren Partnern sehr lange nachgedacht - rational ist es für das Unternehmen eine gute Entscheidung", hielt der Investor Relations Officer Marcus Handl am Donnerstag im Gespräch mit der APA fest. "Zufriedenheit ist hier in Wirklichkeit kein gut beschreibendes Wort." Es sei eine rationale Entscheidung gewesen, keine emotionale. Eine noch längeres Verfahrens sei nicht sinnvoll erschienen, da es mit höheren Kosten verbunden gewesen wäre.

"Man hat einen erheblichen Anteil der Ansprüche in kurzer Zeit durchgesetzt", so der Geschäftsführer der eigens gegründeten Mautbetreibergesellschaft autoTicket, Michael Blum, im Ö1-"Mittagsjournal" des ORF. "Wir sind zufrieden mit dem Ergebnis", sagte Blum und verwies auf Schiedsverfahren, die häufig über zehn Jahre dauerten. "Wir liegen seit über drei Jahren in einem Rechtsstreit mit der deutschen Bundesregierung, das hat erhebliche Kosten verursacht", berichte der Manager.

"Wir hatten auf Basis eines zwölfjährigen Betreibervertrages 560 Mio. Euro eingeklagt - was wir eingeklagt haben, war der entgangene Gewinn", sagte der IR-Manager mit Blick auf die vor Gericht geltend gemachten Entschädigungs- und Schadenersatzansprüche gegen die Bundesrepublik Deutschland. Die Summe, die das Joint Venture namens autoTicket mit dem deutschen Ticket-Vermarkter und Konzertveranstalter CTS Eventim nun zugesprochen bekam, ist nicht einmal halb so hoch. "243 Mio. Euro kommen in unsere gemeinsame Gesellschaft autoTicket - das ist eine Gesellschaft, die zu 50 Prozent uns gehört, deshalb werden aus dieser auch die Mittel 50:50 aufgeteilt", erklärte Handl. Die Gesamtsumme fließe "unmittelbar".

Ehe Kapsch ihren Anteil bekommt, dauert es aber noch. "Bis das bei uns ist, kann das eine Zeit dauern, das ist noch nicht abschätzbar. Jetzt muss einmal alles abgerechnet werden und wenn es abgerechnet ist, wird das Ganze verteilt", so Handl. Von den 243 Mio. Euro muss noch die Gesamthöhe der Abwicklungs- und sonstigen Kosten sowie der bereits entstandenen und künftigen Aufwendungen festgestellt und vom Hälfteanteil in Höhe von 121,5 Mio. Euro abgezogen werden. Aus heutiger Sicht rechnet der österreichische Joint-Venture-Partner laut Eigenangaben mit einem Zufluss von "zumindest rund 80 Mio. Euro". Die "mehreren Millionen Verfahrens-, Rechts- und Beratungskosten" seien allesamt bereits in den Büchern.

An der Börse wurde die Entscheidung insgesamt positiv angenommen. Immerhin rettet die millionenschwere Zahlung aus Deutschland die heurige Bilanz - anstelle von Verlusten wird Kapsch hohe Gewinne einfahren. Der Mittwochabend bekanntgewordene Vergleichsvorschlag des Schiedsgerichts löste ein kräftige Kurs-Zickzack bei der auf dem Wiener Parkett gelisteten Kapsch TrafficCom aus. In einer ersten Reaktion auf die Millionenzahlung aus Deutschland schoss der Aktienkurs zunächst um knapp 20 Prozent nach oben. Donnerstagvormittag ging es wieder um gut 15 Prozent nach unten. Zu Mittag notierte Kapsch bei 11,55 Euro je Anteilsschein.

Das Unternehmen hob den Ausblick auf das Geschäftsjahr 2023/24 umgehend an. Es werde nunmehr eine "signifikante Verbesserung" des operativen Ergebnisses bei einem Umsatzwachstum im einstelligen Prozentbereich erwartet. Mitte Juni hatte das Management nur eine "leichten Verbesserung" in Aussicht gestellt. Im abgelaufenen Geschäftsjahr 2022/23 (per Ende März) erlitt das österreichische Unternehmen unter dem Strich einen Verlust von knapp 25 Mio. Euro. Steigende Kosten bei Komponenten, Löhnen und Gehältern sowie eine Margensenkung in bestehenden Projekten belasteten das Geschäft. Operativ war das Ergebnis (EBIT) 2022/23 mit 7,6 Mio. Euro positiv. Der Umsatz stieg um 6,5 Prozent auf etwas über 550 Mio. Euro.

Den Zuschlag für die technische Abwicklung des geplanten deutschen Pkw-Mautsystems hatte Kapsch im Rahmen des Joint Ventures namens autoTicket mit der deutschen CTS Eventim 2018 bekommen. "2019 war die Kündigung", so Handl. "Das war unsere wesentliche Aktivität in Deutschland, das war das mit Abstand größte Projekt", sagte der Unternehmenssprecher zur APA. Der Auftrag war insgesamt knapp 2 Mrd. Euro schwer. Der Vertrag hätte über mindestens zwölf Jahre ab Beginn der Erhebung der sogenannten Infrastrukturabgabe in Deutschland laufen sollen, die ab Herbst 2020 fällig gewesen wäre.

Der Betreibervertrag sei von der Bundesrepublik Deutschland aufgelöst worden, so Handl. Das daraufhin angerufene Schiedsgericht wickelte das Verfahren in zwei Stufen ab. "In der ersten Stufe haben wir im März 2022 'dem Grunde nach' Recht bekommen", berichtete der Unternehmenssprecher. In einem weiteren Schritt auch "der Höhe nach". Das Schiedsgericht unterbreitete den Vergleichsvorschlag im Volumen von 243 Mio. Euro.

Joint Venture von Kapsch und CTS hofft auf Millionenzahlung

Im Streit um die gescheiterte Pkw-Maut hat sich das paritätische Joint Venture aus CTS Eventim und Kapsch TrafficCom mit der Bundesrepublik Deutschland geeinigt. Wie Kapsch mitteilte, erwartet das Gemeinschaftsunternehmen Autoticket GmbH aus einer Einigung mit der Bundesrepublik zur Beendigung des geführten Schiedsverfahrens wegen der Kündigung des Betreibervertrags zur Erhebung der Pkw-Maut eine Zahlung von 243 Millionen Euro.

Der Vergleich werde voraussichtlich in den kommenden Tagen finalisiert und ausgefertigt und damit wirksam werden. Mit der Zahlung werden die wechselseitigen Ansprüche aus dem Betreibervertrag bereinigt und verglichen sein, insbesondere die ursprünglich geltend gemachten Entschädigungs- und Schadenersatzansprüche der Autoticket GmbH gegen die Bundesrepublik Deutschland über rund 560 Millionen Euro.

Die österreichische Kapsch TrafficCom erwartet einen Zufluss von mindestens 80 Millionen Euro. Zuvor müsse die Autoticket aus dem gezahlten Betrag Abwicklungs- und sonstige Kosten sowie bereits entstandene und künftige Aufwendungen, deren Höhe insgesamt aktuell noch nicht feststeht, selbst bestreiten haben, bevor es zu einer Verteilung des der Kapsch TrafficCom AG zustehenden Anteils kommen kann. Kapsch rechnet mit einer "signifikanten Verbesserung" des EBIT bei einem Umsatzwachstum im einstelligen Prozentbereich.

Die Kapsch-Aktie fiel in Wien letztlich um 14,29 Prozent auf 11,70 Euro. CTS Eventim-Titel gaben derweil via XETRA um 1,47 Prozent auf 57,05 Euro nach.

FRANKFURT (Dow Jones/APA)

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