Basel-Aufsicht knickt ein 07.01.2013 06:28:31

Kapitalvorschriften für Banken werden deutlich zurückgefahren

Damit haben sie gegenüber den Banken nachgegeben, die die Pläne als nicht ausführbar und finanziell riskant bezeichnet hatten. Der Baseler Ausschuss für die Bankenaufsicht, ein Zusammenschluss von weltweiten Regulierern und Zentralbankern, erklärte am Sonntag, dass er einer Regelerleichterung zugestimmt hat. Diese soll sicherstellen, dass Banken Finanzkrisen durchstehen können, ohne in Geldknappheit zu geraten.

   Nach zwei Jahren intensiven Drucks aus der Bankenbranche beugten sich die Regulierer und machten es den Instituten leichter, die Vorgabe, die unter dem Namen "Liquiditätsdeckungskennziffer" (Liquidity Coverage Ratio, LCR) bekannt ist, zu erfüllen. Ihre volle Einführung verschoben sie zudem bis 2019.

   Die Regulierer argumentieren, dass auch nach den Veränderungen die Vorschriften für Banken im Vergleich zur Zeit vor der Finanzkrise deutlich strikter sind. Die Entschärfung der LCR ist jedoch ein weiteres Beispiel dafür, wie sie ihre bahnbrechende Antwort auf die globale Finanzkrise aus dem Jahr 2010 unterminieren.

   Die sogenannten Basel-III-Vorschriften, benannt nach der Schweizer Stadt, wo die Bankenregeln traditionell verhandelt werden, verpflichteten Banken dazu, ihre Kapitalpuffer dramatisch aufzustocken und sich Billionensummen an neuer Liquidität zu verschaffen. Aus Sicht der Banken gingen die neuen Regeln zu weit. Sie würden zu einer deutlich geringeren Kreditvergabe führen, drohten sie. Einigen dieser Bedenken trugen die Regulierer jetzt Rechnung, indem sie die Vorgaben an mehreren Schlüsselstellen abschwächten oder verschoben. In einigen Ländern, darunter den USA, wachsen inzwischen bereits die Zweifel, ob die Baseler Vorschriften jemals eingeführt werden.

   Die Liquiditätsregel verpflichtet Banken dazu, genügend liquide Anlagen - in der ursprünglichen Definition beschränkten sich diese weitgehend auf Barreserven und Staatsanleihen - vorzuhalten, um einer drastischen, 30 Tage langen Liquiditätskrise ähnlich der im Herbst 2008 Stand halten zu können.

   Ende 2011 hatte der Baseler Ausschuss einen Schätzung veröffentlicht, der zufolge weniger als die Hälfte der 200 größten Banken der Welt den Vorgaben entsprechen würden und dass diese zusammen 1,8 Billionen Euro an hochliquiden Anlagen benötigten, um die Quote zu erfüllen, wenn sie 2015 in Kraft trete.

   Jetzt verringern sich die Belastungen für die Branche massiv. Mervyn King, der scheidende Gouverneur der Bank of England, der die Verhandlungen geleitet hatte, sagte auf einer Pressekonferenz am Sonntag, dass die "große Mehrheit" der 200 Banken die überarbeitete Quote bereits erfüllen, wobei dies zum Teil den außergewöhnlichen Anstrengungen zu verdanken ist, die viele Notenbanken unternommen haben, um die Folgen der Finanzkrise abzumildern.

   King bestritt, dass die Liquiditätsregel durch die Änderungen verwässert werde. Ob diese erheblich sind oder nicht, liegt im Auge des Betrachters", sagt er. Eines der Ziele war sicher, die Stellungnahmen zu berücksichtigen, die gemacht wurden." Niemand habe angeordnet, die Regeln stärker oder schwächer zu machen, realistischer sollten sie sein.

   Stefan Ingves, schwedischer Zentralbanker und Chef des Baseler Ausschusses, beschrieb die Liquiditätsregel als "ziemlichen Erfolg und etwas, das sehr, sehr hilfreich dabei sein wird, die globale Finanzstabilität sicherzustellen."

   Zu den wichtigsten Veränderungen gehören Zugeständnisse dahingehend, was Banken als "hochliquide Anlagen" zählen dürfen. 2010 hatte der Baseler Ausschuss die Regel noch sehr eng gefasst und neben Staatsanleihen und Geld, das bei Zentralbanken geparkt ist, kaum etwas zugelassen. Die Bankenbranche hatte dafür gekämpft, ein breiter gefasstes Spektrum an Anlagen einzubeziehen - von erstklassigen Aktien über mit Hypotheken gedeckte Anleihen bis hin zu Goldvorräten.

   Anfangs hatten die Regulierer gehöhnt, die Einwände der Branchen seien Ausdruck der Eile der Institute, zu ihrem waghalsigen Vorkrisen-Verhalten zurückzukehren. Die europäische Schuldenkrise, in der einige Staatsanleihen auf Ramschniveau herabgestuft wurden und vollkommen illiquide wurden, habe jedoch zu einer Neubewertung geführt, berichten Personen, die an den Verhandlungen beteiligt waren.

   Die Verhandlungspartner einigten sich schließlich darauf, dass Banken die Kapitalvorgabe mit bis zu 15 Prozent mit weniger traditionellen Anlagen erfüllen dürfen. Dazu zählen mit Wohnhypotheken gedeckte Wertpapiere mit Top-Rating, die vor allem für die US-Banken hohe Priorität hatten. Sie haben etliche Billionen Dollar in diesen Papieren liegen, die 2008 eine zentrale Rolle in der Krise des amerikanischen Bankensystems spielten. Bei der Berechnung des Anteils der Papiere an der Deckungsrate wird ihr Wert um 25 Prozent heruntergeschrieben.

   Eine weiteres Zugeständnis gegenüber der Branche machten die Baseler Regulierer bei den Annahmen über die Schwere von Krisen, die den Banken realistischerweise drohen könnten und denen sie mit Hilfe der neuen Regeln Stand halten sollen.

   So sahen die ursprünglichen Regeln vor, dass Banken af eine 30 Tage andauernde Liquiditätskrise vorbereitet sein sollten, in der Privatkunden fünf Prozent ihrer Einlagen abzögen. Aus Sicht der Bankenbranche war dies eine unrealistisch scharfe Vorgabe. Diese wird mit den Veränderungen vom Sonntag nun auf drei Prozent reduziert. Und an Stelle der Annahme, dass Firmenkunden ihre Kreditlinien in einer Krise um 100 Prozent herunterfahren, wurde dieser Wert auf 30 Prozent verändert. Dadurch ändert sich die Menge an liquiden Mitteln, die die Banken als Reserve bereithalten müssen, signifikant.

   Zudem wird die Regel nicht wie ursprünglich geplant bereits zum 1. Januar 2015 vollständig greifen, sondern nur zu Teilen. In den vier Jahren darauf soll sie dann schrittweise erweitert werden, ehe sie 2019 unbeschränkt gilt.

   DJG/WSJ/jhe

   Dow Jones Newswires

Von DAVID ENRICH, GEOFFREY T. SMITH und ANDREW MORSE

BASEL

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