Exklusiv-Interview |
26.05.2015 07:00:01
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Kapitalmarktstratege Roth: Einsteiger sollten den Crash abwarten
finanzen.at: Herr Roth, Sie waren Profifußballer, sind nun Kapitalmarktstratege und Chefhändler der deutschen Wertpapierhandelsbank Oddo Seydler. Mit "Earning by doing" haben Sie vor Kurzem Ihr erstes Buch veröffentlicht. Wollen Sie jetzt auch noch professioneller Schreiberling werden? Oder warum haben Sie das Buch geschrieben?
finanzen.at: Sie blicken mit "Earning by doing" hinter die Kulissen der Frankfurter Händler und zeigen auf, dass man "Börse können kann". Was meinen Sie damit? Muss ich "nur" an der Börse investieren und der Erfolg kommt dann ganz automatisch? Oliver Roth: Aus Fehlern sollte man lernen, heißt es. Aber es müssen ja nicht die eigenen Fehler sein, dachte ich mir. Deshalb erzähle ich in meinem Buch unterhaltsame und auch ernste Anekdoten über meine Zeit an der Börse. Und ich zeige die Fehler auf, die bis heute gemacht werden. Der Leser wird dabei überschaubar und leicht verständlich auf optimiertes Geldanlegen und die Börse im speziellen vorbereitet. Auch für bereits fortgeschrittene Anleger sind viele neue Aspekte, Strategien, aber auch viel Kritisches über unser Finanz- und Geldsystem im Buch zu lesen. Wer Zeit hat, der kann "fast" automatisch mit der Börse Geld verdienen. In den letzten 25 Jahren durchschnittlich acht bis 8,5 Prozent pro Jahr - trotz aller Crashs.
finanzen.at: Die Börse ist Ihrer Meinung nach also kein Glücksspiel? Warum? Oliver Roth: Die Börse ist das, was die Marktteilnehmer aus ihr machen. Es gibt Zocker, die schnelles Geld machen wollen, und es gibt Investoren, die das Geld langfristig anlegen. Für beide Gruppen gibt es auch die dazugehörigen Waren. Spekulative Aktien für Zocker mit hohem Gewinn-/Verlust-Risiko und auch konservative Aktien mit geringerem Gewinn-/Verlust-Risiko. An der Börse gibt es ergo sowohl etwas für Kasinobesucher wie auch für Sparkassen-Kunden, die Vermögensaufbau für das Alter betreiben. Wer 1989 10.000 Euro in konservative Aktien angelegt hat, besitzt heute über 70.000 Euro. Wohlgemerkt inklusive aller Crashs. Das spricht für sich.
finanzen.at: Halten Sie die aktuelle Marktlage für einen guten Zeitpunkt zum Einstieg? Oliver Roth: Es gilt zu unterscheiden, über wen wir hier reden. Ich unterscheide der Einfachheit halber in zwei Gruppen. Eine Gruppe hat bereits Aktien und ist auf kurzfristige Gewinne aus. Eine andere möchte erst welche kaufen und ist langfristig orientiert. Wenn man bereits Aktien hat und Gewinne mitnehmen möchte, sollte man sich Verlustgrenzen nach unten setzen und sich mit flexiblen Verkaufslimits nach unten absichern. Kein Grund derzeit zu verkaufen, außer ein Crash rückt an. Für die andere Gruppe lohnt es sich jetzt, das Pulver trocken zu halten und auf kräftige Abschläge zu warten. Die werden kommen. Es bedarf jedoch einiger Geduld diesen Zeitpunkt abzuwarten. Es gilt: Eine Hausse dauert dreimal länger als eine Baisse. Vergeuden Sie nicht die Zeit mit Timing. Warten Sie auf den Crash.
finanzen.at: Sie raten Börsenneulingen, erst einen Crash abzuwarten. Steht dieser kurz bevor? Wann droht Ihrer Meinung nach ein Crash? Oliver Roth: Ein Crash ist niemals genau vorauszusehen. Aber die Risiken, zum Beispiel Spekulationsblasen und Schattenbanken, werden immer bedrohlicher. Deshalb bedarf es Geduld zum Einstieg. In einer Boom-Phase erstmalig an der Börse einkaufen zu gehen, ist so, wie wenn man als Bergsteiger auf dem Gipfel mit dem Aufstieg beginnen will. Und daran, dass wir uns aktuell in der Nähe des Gipfels befinden, kann kein Zweifel bestehen. Deshalb rate ich Einsteigern, den Crash abzuwarten und nach dem Ausverkauf erst einzusteigen - selbst, wenn man den tiefsten Punkt dabei nicht immer trifft.
finanzen.at: Welche Anlageklasse ist aus Ihrer Sicht für Börseneinsteiger am interessantesten? Oliver Roth: Konservative Aktien sind klar der Favorit. Das sind Unternehmen, die eine starke und stabile Marktstellung haben, sowie über stabile Gewinne verfügen. Die "Blue Chips" genannten Titel sind für den Einsteiger besonders geeignet, um ein Gefühl für die Börse zu erhalten. "Blue Chips" heißen diese Aktien übrigens in Anlehnung ans Glücksspiel, wo im Kasino Monte Carlo erstmals "Blaue Jetons" als wertvollste Spielchips ausgegeben wurden.
finanzen.at: Warum sollten Börsenneulinge auf "Blue Chips" setzen? Oliver Roth: Diese Aktien verfügen oft über stabile Kursverläufe und bieten dazu auch meist attraktive Dividendenausschüttungen an, die den Besitz zusätzlich versüßen. In der Krise sind sie weit weniger schwankungsanfällig als weniger bedeutsame Aktien.
finanzen.at: Was müssen Anleger Ihrer Meinung nach grundsätzlich beachten, wenn sie an der Börse erfolgreich sein wollen? Oliver Roth: Die Menschen sollten zuerst keine Angst vor der Börse haben. Das ist kein Zauberwerk, sondern viel mehr Handwerk, was jeder erlernen kann. Es gibt Regeln wie im Straßenverkehr beispielsweise. Unter anderem sollten Anleger sich die Zeit nehmen, das Prinzip der Börse zu verstehen. Sie sollten keine Angst haben und sie sollten Geduld und Disziplin mitbringen. An der Börse ist zwei plus zwei nicht vier, sondern eher fünf minus eins. Die Kunst ist es, das Minus auszuhalten. Wenn man erst alle Regeln kennt und etwas Erfahrung ansammelt, kommt man auch sicher an sein Ziel.
finanzen.at: Welche Risiken lauern derzeit an der Börse? Oliver Roth: Es gibt jede Menge Risiken für uns. Aufgrund der expansiven Geldpolitik der Notenbanken bilden sich allerorts Spekulationsblasen die jederzeit platzen können. Ob in China der Immobilienmarkt oder im Westen die Aktien- und Anleihemärkte. Außerdem wächst der Schattenbanksektor, in dem international agierende Banken ihre Zockergeschäfte über Hedgefonds lustig fortführen, immer weiter an. Das alles wird finanziert mit Krediten unserer Banken. Pleiten führten hier ebenfalls zur Krise über den Dominoeffekt.
finanzen.at: Warum sollte ausgerechnet Ihr Buch auf dem Nachttisch oder Schreibtisch eines Anlegers liegen? Oliver Roth: Das sollten die Leser selbst entscheiden. Ich habe meine Erfahrungen, Erlebnisse und Fehler aus 25 Jahren an der Börse in einem Buch verfasst. Dabei wollte ich in leicht verständlicher Sprache aufzeigen, wie wichtig es ist, Aktien zu haben und welche Fehler es beim Geldanlegen allgemein zu vermeiden gilt. Wenn ich es außerdem geschafft habe, die Leser dabei noch zu unterhalten, habe ich eine gutes Buch geschrieben, das auf jedem Anleger-Nachtisch liegen sollte.
finanzen.at: Herr Roth, ich danke Ihnen sehr für das Gespräch.
Oliver Roth ist ein ehemaliger Fußballprofi (Borussia Dortmund und Kickers Offenbach). Vor über 25 Jahren tauschte er den Trainingsanzug gegen den Businessanzug ein. Roth ist heute Chef des Aktienhandels am Frankfurter Parkett und Kapitalmarktstratege der Mittelstandsbank Oddo Seydler. Mehr Informationen finden Sie unter Oliver-Roth.de. Das Interview führte Markus Gentner/Redaktion finanzen.at
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